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Idol

Idol

Titel: Idol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Vorschein, so wie ich ihn seit jeher kannte: klein, drahtig, kerzengerade,
     mit wachen Augen und flinker Zunge.
    »Ich wollte ungesehen zum Fürsten gelangen«, fuhr er fort.
    »Warum das?« wollte ich wissen. »Der Fürst steht im Zenit seiner Macht! Was fürchtest du also?«
    »Das unvermeidliche Zurückströmen der Brandung! Der Erfolg des Fürsten ist alles andere als gesichert. Was er getan hat, wird
     er nicht noch einmal tun können. Er hat sich zu viele Feinde gemacht – vom Papst ganz abgesehen. Er hat die Vendetta des Adels
     genutzt, um Eure Schwester zu befreien, und er hat das Volk niedermetzeln lassen, nachdem er es für seine Zwecke mißbraucht
     hatte. Wenn er erneut vom Heiligen Vater gedemütigt würde, könnte er weder auf den Adel noch auf das Volk zählen.«
    »Domenico, du verschwendest deine Zeit damit, dein Nuttengeschwader zu leiten. Du solltest den Staat regieren!«
    »Einen Staat regieren ist sehr viel leichter, Signore«, meinte
il mancino
ernst. »Man braucht dazu nur ein paar eindeutige Prinzipien. Erstens: niemals halbe Sachen machen! Wenn ich der Fürst gewesen
     wäre und die Waffen gegen meinen Herrn erhoben hätte, dann hätte ich ihn auch entmachtet und getötet. Doch entschuldigt, Signore,
     ich vergeude Eure Zeit und meine eigene«, fuhr er mit seiner umständlichen Höflichkeit fort. »In Wirklichkeit bin ich gekommen,
     um Euch ein Licht aufzustecken.«
    |311| In seinem eleganten, vornehmen Italienisch, das mich bei einem Mann, der weder lesen noch schreiben (dafür aber offenbar gut
     zuhören) kann, immer wieder in Erstaunen versetzt, gab mir nun
il mancino
einen anschaulichen Bericht über alle Ereignisse von der Ermordung Perettis bis zum Aufstand.
    »Kurz und gut«, schloß er, »der Anstifter dieses Mordes wollte dem Fürsten, Eurer Frau Schwester und Euch schaden. Und genau
     das hat auch Della Pace vermutet, ohne es allerdings beweisen zu können. Aber ich, ich verfüge Gott sei Dank über andere Möglichkeiten
     als er! Ich hatte beobachtet, daß der Mönch, der mir das Billett an Signor Peretti überbrachte, ein kräftiger Zecher war und
     nach dem schönen Geschlecht schielte, woraus ich schloß, daß man ihn in den Schenken suchen müsse. Sein Gesicht hatte ich
     ja wegen der Kapuze nicht sehen können, aber mir waren seine große Magerkeit und eine lange Narbe am linken Daumen aufgefallen.
     Also sandte ich mein Geschwader aus, wie Ihr es zu nennen beliebtet, und eins meiner Mädchen machte ihn schließlich ausfindig,
     köderte ihn auf bekannte Weise und lockte ihn zu mir in die Taverne. Ich schloß ihn im Keller ein, setzte ihm den Dolch an
     die Kehle und brachte ihn so zum Reden: Peretti wurde auf Befehl Lodovicos und ohne Wissen des Fürsten ermordet. Aber darüber
     scheint Ihr gar nicht sonderlich erstaunt zu sein?«
    »Ich habe das vermutet. Aber es ist wunderbar, dank dir jetzt den Beweis für diese üblen Machenschaften in Händen zu halten.«
    »Übel – sehr übel sogar, Signore! Und man soll eben nie übertreiben. Das ist das zweite Prinzip meiner Regierung. In den meisten
     Fällen schlagen solche Ränkespiele nämlich auf ihre Urheber zurück. Das nenne ich das Gesetz der zurückströmenden Brandung.«
    »Und was hast du mit diesem Mönch gemacht?«
    »Ich verwahrte ihn hinter Schloß und Riegel und begab mich auf die Suche nach Della Pace, um ihm diesen feinen Zeugen auszuliefern.
     Leider war inzwischen durch den Tod von Raimondo und Silla die Revolte ausgebrochen, und Della Pace hatte sich gerade noch
     rechtzeitig in den Vatikan flüchten können. Danach sah ich von ihm nur noch einen blutüberströmten Kopf, den der Pöbel mit
     Füßen bearbeitete. Ehrlich, ich habe ihn beweint!«
    »Was? Du hast einen Bargello beweint?«
    |312| »Ja, Signore. Er war offenherzig, loyal, seinem Herrn ergeben und viel zu anständig. Das hat ihn zugrunde gerichtet. Glaubt
     mir, Signore, ein anständiger Bargello kann in einem korrupten Staat nicht lange bestehen.«
    »Deinen Mönch kannst du immer noch Della Paces Nachfolger ausliefern.«
    »Ach, Signore! Vergebung, doch Ihr habt wirklich keine Ahnung von Politik: der Papst hat doch gerade jetzt überhaupt kein
     Interesse daran, daß die Unschuld des Fürsten ans Licht kommt. Mein Zeuge hätte nicht einmal Zeit, den Mund aufzumachen. Er
     würde in einem Sack und der Sack im Tiber landen. Und ich würde verbannt werden. Ihr wißt genau, daß ich in Rom nur geduldet
     bin. Nein, der einzige, mit dem ich jetzt

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