Idol
nicht: ad 1,
weil er ihn in Verdacht hatte, seine Nachfolge anzustreben; ad 2, weil Montalto Franziskaner war: der Papst und die Römer
hielten diese Mönche für scheinheilig; und ad 3, weil ihm die Ärmlichkeit von Montaltos Lebensführung wie ein versteckter
Vorwurf ob seines eigenen Lebensstils vorkam.
Wie dem auch sei, von dem Tag an, da Gregor XIII. den Heiligen Stuhl bestiegen hatte, hielt er Montalto konsequent von seiner
Regierung fern. Trotz der großen Fähigkeiten, die sogar seine Feinde dem Kardinal bescheinigten, vertraute er ihm niemals
auch nur das kleinste Amt an. Schlimmer noch: er schien Montalto völlig zu ignorieren.
Ich war damals erst kurze Zeit Generalvikar Seiner Eminenz, und ich bemerkte als einer der ersten eine große Veränderung in
der Erscheinung des Kardinals. Ob er nun unter der unverdienten Ungnade litt oder ob das übertrieben karge Leben seine kräftige
Gesundheit untergraben hatte, kann ich nicht sagen: er klagte nie. Doch mit einem Male schien er unter der Last der Jahre
gebeugt, das Feuer seiner schwarzen Augen erlosch zumindest in der Öffentlichkeit, und er bewegte sich nur noch an Krücken
fort, als hätten seine kräftigen krummen Beine ihm plötzlich den Dienst versagt. Er sprach wenig, und sowie er den Mund öffnete,
wurde er von einem schmerzhaften Husten geschüttelt. Er, den man so quicklebendig kannte, so hochfahrend, so unduldsam gegen
andere Meinungen, erfreute jetzt die Kardinäle durch sein demütiges Verhalten.
Die Kardinäle wohlgemerkt, nicht den Papst: die Antipathie Seiner Heiligkeit gegen Montalto blieb unverändert bestehen. Schlimmer
noch: die Berater Gregors XIII. konnten ihm nur mit größter Mühe das Zugeständnis abringen, daß der Kardinal mit Rücksicht
auf seine Krücken nicht mehr niederzuknien brauchte, wenn er sich dem päpstlichen Thron näherte. Lobte jemand vor dem Papst
die unwandelbare Milde, die der arme Behinderte nun im Umgang mit seinesgleichen an den Tag legte, meinte er trocken:
»Ich habe in meinem langen Leben viel gesehen, aber ich habe nie erlebt, daß sich ein Adler in eine Taube verwandelt hätte.«
|38| Und in der Tat: sobald sich der Kardinal in seinen eigenen Palast zurückgezogen hatte – den er nur sehr selten verließ –,
habe ich niemals beobachtet, daß er in seinen mächtigen Fängen oder in seinem krummen Schnabel den ihm Nahestehenden oder
seinen Dienern auch nur den kleinsten Ölzweig gebracht hätte. Sein Husten hinderte ihn nicht daran, zu schimpfen; seine Krücken
hielten ihn nicht davon ab, in seinem Palast immer gerade da aufzutauchen, wo er am wenigsten erwartet wurde. Ich weiß nicht,
ob er wirklich so sterbenskrank war, wie er vorgab: sein Mißtrauen und seine Tyrannei waren nicht erlahmt.
Dafür lieferte er einen weiteren Beweis, als er zu wissen bekam, daß Francesco Peretti auf die Hand der schönen Vittoria Accoramboni
hoffte. Sobald er das erfuhr, bemühte er sich um genaue Auskünfte über Vittoria und ihre Familie und versicherte sich – ich
weiß wie, aber ich weiß nicht durch wen – der Dienste einer Kammerzofe aus dem Palazzo Rusticucci, die, glücklicher Zufall,
gleich ihm aus Grottammare in den Marken stammte. Das Mädchen verriet seine Herrin nicht für Geld, sondern weil der Kardinal
ihren Eltern helfen konnte, die in Grottammare sehr kärglich vom Fischfang lebten. Seine Eminenz gewann für seine Sache auch
den römischen Priester Racasi, der Vittoria und ihrer Mutter die Beichte abnahm.
Die Einzelheiten dieser Ermittlungen erfuhr ich nicht, wohl aber deren Ergebnis, denn der Kardinal konsultierte mich in letzter
Minute, weil ich Verwandte in Gubbio hatte, woher die Accorambonis stammten. Ich konnte nur bestätigen, was er schon wußte:
Vittoria stand in dem Ruf, schön, gut und tugendhaft zu sein. Ihr Bruder Marcello dagegen war ein Tunichtgut, ihr anderer
Bruder ein unfähiger Mensch, ihre Mutter ehrgeizig und versessen auf eine reiche Heirat für die Tochter, die Majolikamanufaktur
in Gubbio wurde zum Verkauf feilgeboten, die Familie besaß keinen roten Heller mehr.
»Diese Leute wollen also größere Schritte machen, als mit ihren kurzen Beinen möglich ist«, sagte der Kardinal hart. »Ich
wage zu behaupten, sie leben nur noch vom Schuldenmachen. Der Palazzo Rusticucci ist bloß eine leere Eierschale. Das ist nicht
die Art von Familie, mit der ich Francesco verschwägert sehen möchte.«
Der arme Francesco Peretti –
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