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Idol

Idol

Titel: Idol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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der ganzen Sorgfalt und
     Kunstfertigkeit auszuführen, die ich auch sonst auf die Gestaltung meiner Schmuckstücke und Kleinodien verwende, denn im Unterschied
     zu vielen anderen handle ich nicht nur mit Juwelen, sondern bin selbst Goldschmied. Ich ließ mich lange bitten, und als meine
     Brüder mich endlich überredet hatten, bestand ich darauf, sie sollten zunächst die notwendige Summe zusammenbringen, da ich
     ihren Wankelmut kannte. Da hoben sie wieder an zu palavern, und es sah ganz so aus, als würden sie sich nie einigen. Jeder
     wollte sich nur entsprechend seinen Einkünften beteiligen; weil aber deren Höhe nur sehr vage angegeben wurde – alle versuchten,
     soviel wie möglich zu verheimlichen, um die römischen Steuerbehörden hinters Licht zu führen –, mußte in erbitterten Auseinandersetzungen
     geklärt werden, wer wirklich reich oder, was auf das gleiche hinauslief, wirklich so arm war, wie er behauptete. Als jedoch
     nach unzähligen Schwierigkeiten zu guter Letzt die Kollekte gezählt wurde, stellte sich paradoxerweise heraus, daß die enorme
     Summe von hunderttausend Piastern zusammengekommen war: so geizig der einzelne Gettobewohner ist oder zu sein scheint, so
     großzügig ist die Gemeinde, als Ganzes.
    Um Argwohn und Verleumdungen zu vermeiden, wollte ich diesen Schatz nicht bei mir aufbewahren, ihn auch nicht verwalten. Ich
     ließ Schatzmeister wählen, die mir nach und nach das Gold und die Edelsteine für das Kreuz bezahlen sollten. Trotzdem war
     einer im Rat so unverschämt, mich zu fragen:
    »Und du, Giacobbe, du steuerst gar nichts bei?«
    »Ich gebe meine Arbeit und mein Talent!« sagte ich zornig.
    Da ich im Unterschied zu so manch anderem mich nicht mit Eigenlob aufplustern mag, verzichte ich auf eine Beschreibung des
     Kreuzes, das mir viel Mühe gemacht hat. Es sei nur erwähnt, daß das ganze Getto an meinem Schaufenster vorbeizog und fasziniert
     die Schönheit des ausgestellten Kreuzes bewunderte. Der alte Rabbi Simone saß bei mir im Hinterzimmer und sagte kopfschüttelnd:
    »So sind wir Juden! Immer diese Götzendienerei! Gestern noch haben sie das Kreuz verspottet und Christus sogar ›den kleinen
     Gehängten‹ genannt (ein geschmackloser Scherz!), heute bestaunen sie es mit offenem Mund, bloß weil es aus |406| Gold ist und besetzt mit Diamanten, Rubinen, Saphiren und was weiß ich noch. Es fehlt nicht viel, und sie beten es an! Daß
     ich so etwas auf meine alten Tage noch erleben muß! Ein Kreuz als angebetetes Idol in einem Getto!«
    Als ich Sixtus V. im Verlaufe der Audienz, um die ich gebeten hatte, das Kreuz überreichte, war er voller Bewunderung, zugleich
     aber auch in einer gewissen Verlegenheit.
    »Was für eine herrliche Arbeit!« sagte er und drehte das Kreuz in seinen Händen, die in frappierendem Gegensatz zu seinen
     groben, unschönen Gesichtszügen schmal und wohlgeformt waren. »Es freut uns zu sehen, daß es im Getto von Rom genauso gute
     Künstler wie in Florenz gibt. Zudem ist dieses Kreuz durch die guten Gefühle für Euern Herrscher geheiligt, die Euch und Eure
     Brüder zu diesem Vorhaben bewogen und bei seiner Ausführung geleitet haben. Deshalb nehmen wir dieses Geschenk mit Freuden
     an als Zeichen der Treue und Dankbarkeit unserer Untertanen im Getto, die wir gegen die Eiferer schützen wollen, denn sie
     sind fleißig, erfinderisch, friedlich und gesetzestreu und mehren den Wohlstand unserer Stadt und unseres Staates. Dennoch
     müssen wir Euch und Euren Brüdern erklären, Giacobbe, daß wir als Oberhaupt der Christenheit unmöglich ein Kreuz tragen können,
     das uns von Untertanen, die keine Christen sind, verehrt wird. Trotzdem wird dieses Kreuz in meiner Familie bleiben, ich will
     es meinen Nachfahren vererben.«
    Hernach sprach er freundlich und in großer Offenheit mit mir über die Reform des Status der Juden und sagte, als die Rede
     auf den gelben Kaftan kam:
    »Müßten wir nicht befürchten, ein zu großes Ärgernis bei unseren christlichen Untertanen und der katholischen Hierarchie zu
     erregen, so würden wir ihn ganz abschaffen.«
    »Allerheiligster Vater«, antwortete ich, »es bedeutet schon sehr viel, daß wir ihn auf Reisen nicht mehr tragen müssen. Für
     mich ist es eine große Erleichterung, denn auf den Landstraßen Italiens den Kaftan zu tragen war eine stillschweigende Aufforderung
     für jedermann, uns übers Ohr zu hauen, uns überhöhte Wegegelder und Zechen abzuverlangen, ja sogar uns zu mißhandeln und

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