Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties
Marshmallows aus Plastik hatten. Jemand hatte einen Bach gestaut, um eine Art Badeteich zu schaffen, aber der Bach selbst sah wie einer jener industriellen Abflüsse aus, in deren Umgebung man nicht einmal Insekten, geschweige denn Vögel fand.
Aber sie hatten das ganze Gelände natürlich hell erleuchtet. Er hörte das Brummen großer Generatoren, als sie den Hang runterfuhren.
»Meine Güte«, sagte Chevette Washington.
Rydell hielt beim Blockhaus und ließ sein Fenster runter, froh darüber, dass es noch funktionierte. Ein Mann in einer leuchtend orangegelben Schaffelljacke und einer dazu passenden Mütze kam heraus, eine Art Schrotflinte mit einem Metallskelettschaft in der Hand. »Privatgelände«, sagte er mit einem Blick dorthin, wo die Windschutzscheibe sein sollte. »Was ist denn mit Ihrer Windschutzscheibe passiert, Mister?«
»Wild«, sagte Chevette Washington.
»Wir sind hier, um unsere Freunde zu besuchen, die Subletts.« Rydell hoffte, den Wachposten ablenken zu können, bevor er die Einschüsse oder irgendwas anderes bemerkte. »Sie erwarten uns. Wenn Sie vielleicht mal anrufen würden?«
»Kann nicht gerade behaupten, dass ihr wie waschechte Christen ausseht.«
Chevette Washington beugte sich über Rydell und starrte den Wachposten mit diesem gewissen Blick an. »Ich weiß nicht, wie’s mit euch steht, Bruder, aber wir sind arische Nazarener aus Eugene. Wir würden da nicht mal reinfahren,
wenn ihr da drin zum Beispiel Matschleute habt, irgendwelche Mischlinge. Rassenverräter gibt’s doch heutzutage an jeder Ecke.«
Der Wachposten sah sie an. »Wenn ihr Nazarener seid, wieso seid ihr dann keine Skins?«
Sie fasste sich vorn an ihre verrückte Frisur, an das Stück mit den kurzen Stacheln. »Als Nächstes erzählst du mir noch, dass Jesus ’n Jude war. Weißt du nicht, was das hier bedeutet?«
Er sah jetzt mehr als nur leicht beunruhigt aus.
»Wir haben ’n paar heilige Nägel hier drin. Vielleicht hast du jetzt ’ne vage Ahnung.«
Rydell sah, wie der Wachposten zögerte und schluckte.
»He, Kumpel«, sagte Rydell, »rufst du uns nun den guten alten Sublett an, oder was?«
Der Mann ging ins Blockhaus zurück.
»Was ist das für ’ne Geschichte mit diesen Nägeln?«, fragte Rydell.
»Das hat Skinner mir mal erzählt«, sagte sie. »Hat mir echt Angst gemacht.«
Dora, Subletts Mutter, trank Cola mit mexikanischem Wodka. Rydell hatte schon Leute erlebt, die das tranken, aber nie bei Zimmertemperatur. Und die Cola war abgestanden, weil Dora sie ebenso wie den Wodka in großen Supermarkt-Plastikflaschen gekauft hatte, die sie schon vor längerer Zeit angebrochen zu haben schien. Rydell entschied, dass er sowieso keinen Bock hatte, was zu trinken.
Im Wohnzimmer von Doras Caravan gab es eine Couch und einen dazu passenden Fernsehsessel. Dora lag im Sessel und hatte die Füße hochgelegt, wegen ihres Kreislaufs, wie sie sagte. Rydell und Chevette Washington saßen nebeneinander auf der Couch, die eher ein kleines Zweiersofa war, und Sublett saß auf dem Boden, die Knie fast bis zum Kinn hochgezogen. Ein Haufen Zeug schmückte die Wände
und die kleinen Zierborde, aber es war alles sehr sauber – wegen Subletts Allergien, nahm Rydell an. Es waren jedoch eine ganze Masse Sachen: Tafeln, Bilder, Figurinen und Dinger, bei denen es sich um diese Gebetstücher handeln musste, wie Rydell vermutete. Es gab ein Flachhologramm von Reverend Fallon, der wie üblich wie eine Beutelratte aussah, aber wie eine sonnengebräunte Beutelratte, die sich womöglich einer Schönheitsoperation unterzogen hatte. Und es gab einen lebensgroßen Kopf von J. D. Shapely, den Rydell nicht mochte, weil einem die Augen zu folgen schienen. Die besseren Sachen waren größtenteils um den Fernseher gruppiert – ein großes, glänzendes Ding, aber noch das alte Modell aus der Zeit, bevor sie wirklich groß und flach zu werden begannen. Er war an – es lief gerade ein Schwarz-Weiß-Film –, aber der Ton war aus.
»Sind Sie sicher, dass Sie nichts trinken wollen, Mr Rydell?«
»Nein danke, Ma’m«, sagte Rydell.
»Joel trinkt nicht. Er hat Allergien, wissen Sie.«
»Ja, Ma’m.« Rydell hatte bis jetzt nicht gewusst, wie Sublett mit Vornamen hieß.
Sublett trug brandneue weiße Jeans, ein weißes T-Shirt, weiße Baumwollsocken und weiße Wegwerf-Krankenhauspantoffeln aus Papier.
»Er war schon immer ein sensibler Junge, Mr Rydell. Ich weiß noch, wie er mal am Lenker vom Big Wheel eines anderen Jungen
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