Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties
aus diesem absolut hässlichen heißgepreßten Recyclingzeug vernagelt, das aus zerkleinertem Altmaterial hergestellt wurde und die Farbe von tagealter Kotze hatte. Er war mit quietschenden Reifen auf dem großen, leeren Parkplatz herumgebraust, wo ihm nur ein paar Autowracks und alte Matratzen in die Quere kommen konnten, bis er einen Weg nach draußen durch den Maschendrahtzaun gefunden hatte.
Aber dort war kein Highway gewesen, sondern nur eine verlassene, vierspurige Zubringerstraße, und es sah so aus, als ob Loveless eine Kugel in den Navigationscomputer gejagt hätte, denn die Karte war fest auf die Innenstadt von Santa Ana eingestellt und flackerte nur so vor sich hin. Rydell hatte den Eindruck, in einer dieser verfallenen Edge-Citys zu sein, die mit der Implosion des europäischen Geldes ihren Niedergang gehabt hatten.
Chevette Washington lag zusammengerollt und mit geschlossenen Augen neben dem Kühlschrank und antwortete nicht. Er hatte Angst, dass Loveless ihr ebenfalls eine Kugel reingejagt hatte, aber er wusste, dass er es sich nicht leisten konnte anzuhalten, ehe sie das Einkaufszentrum nicht wenigstens ein Stück weit hinter sich gelassen hatten. Und er sah kein Blut an ihr und auch sonst nichts.
Schließlich waren sie zu einer Shell-Tankstelle gekommen. Dass es eine von Shell gewesen war, konnte man an der Form der metallenen Dinger oben an den Masten erkennen, die die Schilder getragen hatten. Die Tür zum Männerklo war aus den Angeln gerissen, die zum Frauenklo mit Ketten gesichert und abgesperrt. Jemand hatte die Popcorn-Maschine mit einer Automatik bearbeitet, wie es aussah. Er fuhr das Wohnmobil an die Rückseite und sah dort einen uralten Airstream-Caravan, den gleichen, in dem ein Nachbar seines Vaters in Tampa gewohnt hatte. Daneben kniete ein Mann vor einem Hibachi – einer Kohlenpfanne – und machte mit einem Topf rum, und zwei schwarze Labradors sahen ihm dabei zu.
Rydell parkte, vergewisserte sich, dass Chevette Washington noch atmete, und stieg aus der Fahrerkabine. Er ging zu dem Mann hinüber, der inzwischen aufgestanden war und sich die Handflächen an den Hosenbeinen seines roten Overall abwischte. Er hatte eine alte, khakibraune Fischermütze auf, deren rund zwanzig Zentimeter langer Schirm waagrecht nach vorn stand. Die Fäden des gestickten Shell-Emblems auf seinem Overall waren durchgescheuert und ausgefranst.
»Haben Sie sich bloß verfahren«, fragte der Mann, »oder gibt’s ein Problem?« Rydell schätzte ihn auf mindestens siebzig.
»Nein, Sir, kein Problem, aber ich hab mich eindeutig verfahren.« Rydell warf einen Blick auf die schwarzen Labradors.
»Ihre Hunde scheinen nicht allzu glücklich zu sein, mich zu sehen.«
»Die kriegen nicht viele Fremde zu Gesicht«, sagte der Mann.
»Ja, Sir«, sagte Rydell, »das kann ich mir denken.«
»Ich hab auch ein paar Katzen. Im Moment füttere ich sie alle mit Trockenfutter. Die Katzen fangen sich manchmal ’nen Vogel, vielleicht auch Mäuse. Sie haben sich verfahren, sagen Sie?«
»Ja, Sir, das stimmt. Im Moment könnte ich Ihnen nicht mal sagen, in welchem Staat wir sind.«
Der Mann spuckte auf den Boden. »Willkommen im gottverdammten Club, mein Sohn. Als ich so alt war wie du, war das alles hier Kalifornien, so wie Gott es gewollt hat. Jetzt ist es Südkalifornien, wie ich höre, aber weißt du, was es in Wirklichkeit ist?«
»Nein, Sir. Was?«
»’n Stück von dem ganzen blühenden Blödsinn. Wie diese Frau, die in dem gottverdammten Weißen Haus kampiert. « Er nahm die Fischermütze ab, wobei er den Blick auf ein paar silberweiße Krebsnarben freigab, wischte sich die Stirn mit einem fettfleckigen Taschentuch ab und setzte die Mütze wieder auf. »Und du hast dich also verfahren, was?«
»Ja, Sir. Meine Karte ist kaputt.«
»Weißt du, wie man Karten aus Papier liest?«
»Ja, Sir.«
»Was, zum Teufel, hat die denn mit ihrem Kopf gemacht? « Er schaute an Rydell vorbei.
Rydell drehte sich um und sah Chevette Washington, die sich über den Fahrersitz beugte und zu ihnen herausschaute.
»Ist bloß ihre Frisur«, sagte Rydell.
»Ich will verdammt sein«, sagte der Mann. »Sonst würde sie vielleicht gar nicht so übel aussehen.«
»Ja, Sir«, sagte Rydell.
»Siehst du die Cream-o’-Wheat-Schachtel da? Glaubst du, du kannst mir ’ne Tasse davon ins Wasser reinrühren, wenn es kocht?«
»Ja, Sir.«
»Tja, dann will ich mal ’ne Karte für dich suchen gehen, damit du ’nen Blick drauf werfen
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