Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties
da. Vier, nur Smiley fehlt.«
»Die beiden Russen, Warbaby und sein Handlanger?«
»Genau.«
»Aber der andere nicht.«
»Ich seh ihn nicht …«
»Seine Beschreibung ist eh im Paket drin. Okay, Rydell. Auf geht’s!« Klick.
Rydell steckte das Telefon in seine Jackentasche, drehte sich um und ging mit schnellen Schritten zur Rolltreppe. Der Junge im Kaffeemodul dachte wahrscheinlich, dass mit dem Latte was nicht in Ordnung gewesen war.
Gottesfresser und seine Freunde – falls sie nicht nur eine einzige Person waren, zum Beispiel eine übergeschnappte alte Dame in den Hügeln von Oakland mit einer mehrere Millionen Dollar teuren Ausrüstung und einer rabenschwarzen Seele – waren Rydell wie Aufschneider erschienen, die ihresgleichen suchten. Wenn man ihnen Glauben schenkte, so gab es nichts, was sie nicht konnten. Aber wenn sie derart mächtig waren, wie kam es dann, dass sie sich verstecken und ihr Geld mit kriminellen Delikten verdienen mussten?
Rydell hatte auf der Akademie ein paar Vorträge über Computerkriminalität gehört, aber das war ziemlich trockenes Zeug gewesen. Die historischen Hintergründe, dass Hacker früher mal bloß clevere Kids gewesen waren, die die Telefongesellschaften geärgert hatten. Im Grunde fielen sämtliche Verbrechen, die man früher unter dem Begriff ›Weiße-Kragen-Kriminalität« zusammengefasst hätte, heute sowieso unter Computerkriminalität, hatte der Gastdozent vom FBI gesagt, weil die Leute in den Büros eh alles mit Computern machten. Aber es gebe andere Verbrechen, die man trotzdem als Computerkriminalität im alten Sinne bezeichnen könne, weil in der Regel normale Kriminelle daran beteiligt seien und weil diese Kriminellen sich selbst nach wie vor für Hacker hielten. Die Öffentlichkeit neige immer noch dazu, hatte der FBI-Mann ihnen erklärt, Hacker
als romantische Possenreißer oder so was anzusehen, ähnlich wie Kinder, die ein Klohäuschen versetzten. Lustige Schelme. In der alten Zeit, sagte er, hätten viele Leute gar nicht gewusst, dass es ein Klohäuschen gab, das versetzt werden konnte; das hätten sie erst gemerkt, als sie irgendwann in der Scheiße steckten. Rydells Kurs hatte pflichtschuldigst gelacht. Aber heute nicht mehr, sagte der FBI-Mann; der moderne Hacker sei ungefähr so romantisch wie der Killer einer Ice-Bande oder der Schläger eines Dancer-Kartells. Und erheblich schwerer zu fassen, obwohl man meistens damit rechnen könne, gleich ein paar mehr zu erwischen, wenn es erst mal gelänge, einen zu kriegen und ihn unter Druck zu setzen. Aber sie seien oft in Zellen organisiert, die wiederum zu größeren Gruppen zusammengefasst seien, so dass man normalerweise höchstens die Mitglieder einer einzelnen Zelle hochnehmen könne; sie wüssten einfach nicht, wer die Mitglieder der anderen Zellen seien, und sie gäben sich auch alle Mühe, es nicht rauszufinden.
Gottesfresser und seine Freunde, wie viele oder wenige es auch waren, mussten eine solche Zelle sein, eine von wer weiß wie vielen Einheiten in der sogenannten Republik der Sehnsucht. Und wenn sie das, was sie für ihn tun sollten, wirklich durchzogen, dann aus drei Gründen, wie er vermutete: Sie hatten was dagegen, dass San Francisco neu aufgebaut wurde, weil ihnen eine Infrastruktur mit vielen Löchern drin gut gefiel, sie berechneten ihm ein hübsches Sümmchen dafür – Geld, das er gar nicht hatte –, und sie hatten eine Möglichkeit ausgeknobelt, etwas zu tun, was noch nie jemand getan hatte. Und es war der letzte Grund, der sie wirklich auf Trab gebracht zu haben schien, nachdem sie einmal beschlossen hatten, ihm zu helfen.
Als er jetzt die Rolltreppe raufging und sich zwang, nicht loszurennen, fiel es Rydell schwer zu glauben, dass Gottesfresser und die anderen tun würden, was sie angeblich tun
konnten. Und wenn sie’s nicht taten, tja, dann war er angeschissen.
Nein, sagte er sich, sie werden’s tun. Sie mussten. Irgendwo in Utah drehte sich eine Schüssel und richtete sich auf die Küste aus, auf den Himmel über Kalifornien. Und aus ihr – eingespeist von dort, wo Gottesfresser und seine Freunde saßen – würden diese Päckchen, nein, Pakete von Signalen kommen. Pakete hatte Gottesfresser sie genannt.
Und irgendwo hoch oben über dem Klecks, über dem ganzen Becken von L. A. stand der Todesstern.
Rydell schob sich an einem silberhaarigen Mann in weißer Tenniskluft vorbei und lief die Rolltreppe hinauf. Er kam unter der Kupfertitte heraus. Leute gingen in
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