Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties
er selbst auf den Markt gekommen war. Das hatte immer zur Folge, dass Chia Mitleid mit ihm empfand, obwohl sie wusste, dass es albern war.
»Mach dir nichts draus«, sagte sie und schloss die Augen.
Sie nahm die Brille ab.
Nach Venedig erschien ihr das Flugzeug noch niedriger und enger, eine Röhre voller Sitzplätze und Menschen, in der man Klaustrophobie bekam. Die Blonde war wach und beobachtete sie. Jetzt, wo sie ihr Make-up größtenteils entfernt hatte, sah sie Ashleigh Modine Carter weitaus weniger ähnlich. Ihr Gesicht war nur ein paar Zentimeter entfernt.
Dann lächelte sie. Es war ein langsames Lächeln, modular, als wäre es in Phasen unterteilt, die jeweils von einer
gesonderten Scheu oder einem gesonderten Zögern beherrscht wurden.
»Dein Computer gefällt mir«, sagte sie. »Er sieht aus, als wäre er von Indianern oder so gemacht worden.«
Chia schaute auf ihren Sandbenders hinunter. Sie stellte den roten Schalter auf »Aus«. »Korallen«, sagte sie. »Das hier sind Türkise. Was wie Elfenbein aussieht, ist das Innere einer Art Nuss. Erneuerbar.«
»Der Rest ist aus Silber?«
»Aluminium«, sagte Chia. »Sie schmelzen alte Dosen ein, die sie am Strand ausgraben, und gießen es in Sandformen. Diese Tafeln sind aus Micarta. Das ist Leinen mit so einem Harz drin.«
»Ich wusste gar nicht, dass Indianer Computer bauen können«, sagte die Frau und streckte die Hand aus, um den gebogenen Rand des Sandbenders zu berühren. Ihre Stimme war zögernd und hell, wie die eines Kindes. Der Nagel des Fingers, der an dem Sandbenders lag, war knallrot, der Lack überall gesprungen und abgeblättert. Ein Zittern, dann wurde die Hand zurückgezogen.
»Ich hab zu viel getrunken. Und dann auch noch mit Tequila drin. ›Vitamin T‹ wie Eddie das nennt. Ich hab mich aber nicht danebenbenommen, oder?«
Chia schüttelte den Kopf.
»Hinterher weiß ich’s manchmal nicht mehr, wenn ich mich danebenbenehme.«
»Wissen Sie, wie lang es noch dauert bis Tokio?«, fragte Chia. Ihr fiel nichts anderes ein.
»Locker neun Stunden«, sagte die Blonde und seufzte. »Unterschallflieger sind einfach ätzend , was? Eddie hatte mich auf ’ne Überschallmaschine gebucht, aber dann hat er gesagt, mit dem Ticket war irgendwas schiefgegangen. Eddie kriegt die ganzen Tickets von so ’nem Laden in Osaka. Mit der Air France sind wir mal erster Klasse geflogen, da wird der Sitz zum Bett, und sie decken dich mit einer kleinen
Steppdecke zu. Und dann haben sie da auch eine geöffnete Bar, und sie lassen die Flaschen gleich draußen. Es gibt Champagner, und das Essen ist vom Feinsten.« Die Erinnerung daran schien sie nicht aufzuheitern. »Und man kriegt Parfüm und Make-up in einem Etui, von Hermes. Echtes Leder. Warum fliegst du nach Tokio?«
»Oh«, sagte Chia. »Ähm. Meine Freundin. Um meine Freundin zu besuchen.«
»Ist so merkwürdig da. Weißt du? Seit dem Erdbeben.«
»Aber sie haben doch alles wieder aufgebaut. Oder nicht?«
»Klar, aber sie haben’s so schnell gemacht, hauptsächlich mit diesem nanotechnischen Zeug, das einfach wächst. Eddie war da, bevor sich der Staub gelegt hatte. Hat mir erzählt, nachts könnte man sehen , wie die Türme wachsen. Räume da oben wie Bienenwaben, und Wände, die sich selbsttätig schließen, eine nach der andern. Er sagt, es war, als sähe man eine Kerze schmelzen, nur umgekehrt. Da kriegt man echt Angst. Alles völlig geräuschlos. Maschinen, die so klein sind, dass man sie nicht sehen kann. Die können in deinen Körper reingehen, weißt du?«
Chia spürte eine leise unterschwellige Panik. »Eddie?«, fragte sie in der Hoffnung, das Thema wechseln zu können.
»Eddie ist so ’ne Art Geschäftsmann. Er ist nach dem Erdbeben nach Japan gegangen, um Geld zu machen. Er sagt, die Infa-, Infa-, die Struktur war damals weit offen. Er sagt, es hätte sozusagen das Rückgrat rausgenommen, so dass man rasch reinkommen und rumwühlen konnte, bevor alles wieder verheilt und verhärtet ist. Und dann ist es um Eddie rum verheilt, als ob er ’n Implantat oder so was wäre, und jetzt gehört er zur Infa-, Infa- …«
»Infrastrukrur.«
»Zur Struktur. Jawoll. Jetzt mischt er also ganz oben mit. Er ist Wirt, ihm gehören so ein paar Clubs, und er hat die Finger im Musikgeschäft, in Videos und so.«
Chia beugte sich vor, zog ihre Tasche unter dem Vordersitz heraus und verstaute den Sandbenders darin. »Wohnen Sie da, in Tokio?«
»Teilweise.«
»Gefällt es Ihnen?«
»Es ist … ich
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