Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties
Imagemäßig sei es eine gute Wahl, weil es Laney menschlicher wirken lasse; es sehe im Grunde wie eine Behausung aus, etwas mit Wänden und Türen und Fenstern, und man könne sich vorstellen, dass ein Gast darin etwas führen könne, was einem Leben ähnele – was bei den abgezirkelten Kästen der seriösen Business-Hotels
ganz und gar nicht der Fall sei. Auch wecke es tief verwurzelte Assoziationen mit dem Starsystem von Hollywood und mit menschlichen Tragödien. In der Blütezeit des alten Hollywood hätten hier Stars gewohnt, und bestimmte Stars seien hier später gestorben. Außer Kontrolle plane, Alison Shires’ Tod als Tragödie in einer altehrwürdigen Hollywood-Tradition darzustellen, aber als eine Tragödie, die von Slitscan, einem sehr modernen Gebilde, herbeigeführt worden sei. Außerdem, erklärte Daniels, sei das Chateau viel sicherer, als es auf den ersten Blick scheinen möge. Und an dieser Stelle war Laney mit Berry Rydell bekanntgemacht worden, dem Wachmann vom Nachtdienst.
Laney hatte den Eindruck, dass Daniels und Rydell sich schon aus der Zeit vor Rydells Job im Chateau kannten, obwohl unklar blieb, woher genau. Merkwürdigerweise schien sich Rydell in der Funktionsweise der Infotainment-Industrie gut auszukeimen, und als sie zufällig einmal miteinander allein gewesen waren, hatte er Laney gefragt, wer ihn vertrete.
»Wie meinen Sie das?«, hatte Laney gefragt.
»Sie haben doch einen Agenten, oder nicht?«
Laney sagte, er habe keinen.
»Dann besorgen Sie sich lieber einen«, hatte Rydell ihm geraten. »Nicht, dass dann alles unbedingt so laufen würde, wie Sie’s gern hätten, aber schließlich sind wir hier im Showbusiness, stimmt’s?«
Es war in der Tat Showbusiness, und zwar in einem Ausmaß, das für Laney sehr bald die Frage aufwarf, ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Sechzehn Leute waren zu einem vierstündigen Meeting in seine Suite gekommen, und dabei war er erst seit sechs Stunden draußen. Als sie endlich gegangen waren, war Laney durch die ganze Suite getaumelt und hatte auf der Suche nach dem Schlafzimmer versehentlich diverse Schranktüren ausprobiert. Als er es gefunden hatte, war er ins Bett gekrochen
und in den Klamotten eingeschlafen, die ihm Rydell auf ihre Anweisung hin im Beverly Center besorgt hatte.
Und genau das Gleiche, dachte er, könnte er auch gleich hier und jetzt tun, in dieser Bar auf der Golden Street, und beantwortete sich damit die Frage, wie sich der Bourbon auf seinen Jetlag auswirkte. Doch als er jetzt den letzten Schluck hinunterkippte, spürte er, wie eine jener Gezeitenwenden einsetzte, was vielleicht weniger mit dem Drink zu tun hatte als mit einer körpereigenen Chemie der Müdigkeit und Fremdheit.
»War Rydell glücklich?«, erkundigte sich Yamasaki.
Das war eine seltsame Frage, fand Laney, aber dann fiel ihm wieder ein, dass Rydell einen Japaner erwähnt hatte, jemanden, den er von San Francisco her kannte, und das war natürlich Yamasaki gewesen.
»Na ja«, sagte Laney, »er kam mir nicht grade total unglücklich vor, aber irgendwie schien er mir doch ein bisschen down zu sein. Könnte man so sagen. Na ja, eigentlich kenn ich ihn gar nicht.«
»Das ist sehr schade«, sagte Yamasaki. »Rydell ist ein tapferer Mann.«
»Wie steht’s mit Ihnen, Laney«, sagte Blackwell, »halten Sie sich auch für einen tapferen Mann?« Die wurmartige Narbe, die seine Augenbraue teilte, wand sich zu einem neuen Grad von Konzentration.
»Nein«, sagte Laney.
»Aber Sie haben sich gegen Slitscan gestellt, weil die das mit dem Mädchen getan hatten. Sie hatten einen Job, sie hatten zu essen, sie hatten einen Platz zum Schlafen. Das haben Sie alles von Slitscan gekriegt, aber die haben das Mädchen fertiggemacht, und da haben Sie sich dafür entschieden, ihrerseits Slitscan fertigzumachen. Ist das richtig?«
»So einfach ist das alles nicht«, sagte Laney.
Als Blackwell sprach, bemerkte Laney plötzlich eine andere Art von Intelligenz, etwas, was der Mann sonst eher verbarg. »Nein«, sagte Blackwell beinahe sanft, »das ist es wahrhaftig nicht.« Eine große Hand mit einem pinkfarbenen Zickzackmuster darauf begann wie ein ungeschicktes, eigenständiges Tier in der straff gespannten Brusttasche von Blackwells Mikropor zu graben, brachte einen kleinen, grauen, metallischen Gegenstand zum Vorschein und legte ihn auf den Tresen.
»Also, das ist ein Nagel«, sagte Blackwell. »Verzinkt, anderthalb Zoll. Für Dachpappe. Mit solchen
Weitere Kostenlose Bücher