Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties
auch. Wir haben sogar das gleiche Wort dafür.«
»Ich glaube, in Amerika ist das nicht das Gleiche.«
»Na ja«, meinte Chia, »es sind immer nur Jungs, stimmt’s? Die Otaku-Jungs an meiner letzten Schule haben auf so Sachen wie Anime-Puppen, militärische Simulationen und Trivia gestanden. Vor allem auf Trivia.« Sie beobachtete Mitsuko, als diese der Übersetzung lauschte.
»Ja«, erwiderte Mitsuko, »aber du sagst, sie gehen zur Schule. Unsere gehen nicht zur Schule. Sie bekommen ihren Unterricht online, und das ist schlecht, weil sie schnell schummeln. Dann werden sie später geprüft und erwischt und fallen durch, aber das stört sie nicht. Es ist ein soziales Problem.«
»Und dein Bruder ist so einer?«
»Ja«, sagte Mitsuko. »Er lebt in der Ummauerten Stadt.«
»Wo?«
»Eine Multi-User-Domäne. Er ist besessen davon. Es ist wie eine Droge. Er hat hier ein Zimmer. Das verlässt er nur selten. Er ist von früh bis spät in der Ummauerten Stadt. Und in seinen Träumen auch, glaube ich.«
Chia versuchte, vor dem mittäglichen Treffen mehr über Hiromi Ogawa in Erfahrung zu bringen, aber mit begrenztem
Erfolg. Sie war schon älter, nämlich siebzehn (so alt wie Zona Rosa), und seit mindestens fünf Jahren im Club. Sie hatte möglicherweise Übergewicht (obwohl das im interkulturellen Mädchencode übermittelt werden musste, ohne offen ausgesprochen zu werden) und besaß eine Vorliebe für ausgeklügelte Bildsymbole. Aber vor allem prallte Chia immer wieder gegen Mitsukos Pflichtgefühl ihrer Ortsgruppe gegenüber und ihr Bewusstsein von ihrem eigenen Status und dem von Hiromi.
Chia hasste Vereinspolitik, und ihr kam der Verdacht, dass diese hier ein echtes Problem darstellen könnte.
Mitsuko holte ihren Computer hervor. Er war eins dieser weichen, transparenten koreanischen Geräte, die wie ein flacher Beutel aus klarem weißem Gelee mit einem Haufen farbiger Gummibonbons drin aussahen. Chia öffnete ihre Tasche und zog ihren Sandbenders heraus.
»Was ist das?«, fragte Mitsuko.
»Mein Computer.«
Mitsuko war eindeutig beeindruckt. »Ist das ein Harley-Davidson? «
»Er ist von den Sandbenders gebaut«, sagte Chia, während sie ihre Brille und die Handschuhe suchte. »Das ist eine Kommune an der Küste von Oregon. Die stellen diese Dinger und Software her.«
»Ist der amerikanisch?«
»Klar.«
»Ich wusste gar nicht, dass Amerikaner Computer bauen«, sagte Mitsuko.
Chia fummelte die silbernen Hütchen über ihre Finger – und Daumenspitzen und befestigte die Handgelenkriemen.
»Von mir aus kann’s losgehen«, erklärte sie.
Mitsuko kicherte nervös.
13 BILDERKENNUNG
Yamasaki rief kurz vor Mittag an. Es war ein trüber, bedeckter Tag. Laney hatte die Vorhänge zugezogen, um die Nanotech-Gebäude bei diesem Licht nicht sehen zu müssen.
Er schaute sich gerade eine NHK-Sendung über Kreisel-Champions an. Der Star war ein kleines Mädchen mit Zöpfen in einem blauen Kleid mit altmodischem Matrosenkragen. Sie schielte ein bisschen, vielleicht vor Konzentration. Die Kreisel waren aus Holz. Manche waren groß und sahen schwer aus.
»Hallo, Mr Laney«, sagte Yamasaki. »Geht es Ihnen jetzt besser?«
Laney beobachtete, wie das Mädchen einen lila und gelb gefärbten Kreisel in Drehung versetzte, indem es geschickt an der sorgfältig aufgewickelten Schnur zog. Der Kommentator hielt ein Handmikrofon an den Kreisel, um das Summen aufzunehmen, das er erzeugte, und sagte dann etwas auf Japanisch.
»Besser als gestern Abend«, sagte Laney.
»Man kümmert sich darum, dass Sie Zugang zu Daten bekommen, die … unseren Freund umgeben. Das ist ein kompliziertes Verfahren, weil diese Daten auf viele verschiedene Arten geschützt sind. Es gab keine einheitliche Strategie. Die Schutzmaßnahmen für sein Privatleben werden immer umfangreicher und komplexer.«
»Ist ›unser Freund‹ darüber informiert?«
Eine Pause entstand. Laney beobachtete den rotierenden Kreisel. Er stellte sich vor, wie Yamasaki zwinkerte. »Nein.«
»Ich weiß noch immer nicht, für wen ich nun eigentlich arbeiten soll. Für ihn? Oder für Blackwell?«
»Ihr Arbeitgeber ist Paragon-Asia Dataflow in Melbourne. Das ist auch meiner.«
»Was ist mit Blackwell?«
»Blackwell ist bei einem Privatunternehmen, durch das ein Teil der Einkünfte unseres Freundes fließt. Im Lauf der Karriere unseres Freundes ist eine Struktur aufgebaut worden, die diesen Fluss optimieren und Verluste minimieren soll. Diese Struktur bildet jetzt
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