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Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Titel: Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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selbst sagen. Der da«, sie zeigte auf das Glas, »erzählt dir gern Einzelheiten, von denen ich nichts verstehe.«
    »Aber sie haben doch nur ihre Website geschlossen«, sagte Chia. »Sie ist in Mexico City, bei ihrer Gang.«
    »Sie ist nirgends«, sagte der Etrusker.
    »Als euer Kontakt unterbrochen wurde«, sagte die Idoru, »indem man dich aus diesem Zimmer in Venedig entführte, ist deine Freundin in deine System-Software gegangen und hat die Videogeräte in deiner Brille aktiviert. Was sie dort gesehen hat, war für sie ein Indiz, dass du in großer Gefahr warst. Und ich glaube, das warst du auch. Dann muss sie einen Plan gefasst haben. Bei der Rückkehr in ihr geheimes Land hat sie ihre Site mit der der Ortsgruppe Tokio des Lo/Rez-Vereins gekoppelt. Sie hat Ogawa, der Präsidentin der Gruppe, befohlen, eine Nachricht zu posten, die Rez’ Tod im Hotel Di bekanntgab. Sie hat sie mit einer Waffe bedroht, die die Site der Ortsgruppe Tokio zerstören würde …«
    »Das Messer«, sagte Chia. »Das war real?«
    »Und extrem illegal«, sagte der Etrusker.
    »Als Ogawa sich geweigert hat«, sagte die Idoru, »hat deine Freundin ihre Waffe benutzt.«
    »Ein schweres Verbrechen«, sagte der Etrusker, »nach den Gesetzen aller beteiligten Länder.«
    »Dann hat sie ihre Nachricht durch die Überreste von Ogawas Website gepostet«, sagte die Idoru. »Sie wirkte offiziell, und sie hatte den Effekt, dass das Hotel Di binnen kurzem von einem Meer potenzieller Zeugen umzingelt war.«
    »Was immer die nächste Stufe ihres Plans gewesen sein mag«, sagte der Etrusker, »sie hatte ihre Anwesenheit in ihrer Website offenbart. Die ursprünglichen Besitzer haben sie bemerkt. Sie hat ihre Site verlassen. Sie haben sie verfolgt. Sie war gezwungen, ihre Persona auszurangieren.«
    »Was für eine Persona?« Chia verspürte ein flaues Gefühl im Magen.
    »Zona Rosa«, sagte der Etrusker, »war die Persona von Mercedes Purissima Vargas-Gutierrez. Sie ist sechsundzwanzig Jahre alt und das Opfer eines Umweltsyndroms, das im Bundesdistrikt von Mexiko sehr häufig auftritt.« Seine Stimme war jetzt wie Regen auf einem dünnen Metalldach. »Ihr Vater ist ein äußerst erfolgreicher Strafverteidiger.«
    »Dann kann ich sie finden«, sagte Chia.
    »Aber das würde sie nicht wollen«, sagte die Idoru. »Mercedes Purissima ist infolge des Syndroms schwerstens missgestaltet und hat ihr physisches Ich während der letzten fünf Jahre nahezu vollständig verleugnet.«
     
    Chia saß da und weinte. Masahiko nahm die schwarzen Schalen von den Augen und kam zum Bett herüber.
    »Zona ist weg«, schluchzte sie.
    »Ich weiß«, sagte er. Er setzte sich neben sie. »Du hast mir die Geschichte der Sandbenders noch nicht zu Ende erzählt«, sagte er. »Es war sehr interessante Geschichte.«
    Also fing sie an, sie ihm zu erzählen.

45 GLÜCK
    »Laney«, hörte er sie mit schlaftrunkener Stimme sagen, »was machst du?«
    Die beleuchtete Oberfläche des Zederntelefons. »Ich ruf im Lucky Dragon auf dem Sunset an.«
    »Wo?«
    »So ein Laden. Durchgehend geöffnet.«
    »Laney, es ist drei Uhr früh …«
    »Muss mich bei Rydell bedanken, ihm sagen, dass es mit dem Job geklappt hat …«
    Sie stöhnte und rollte sich herum, zog sich das Kissen über den Kopf.
    Durchs Fenster konnte er den durchsichtigen Bernstein sehen, die dicht beieinanderstehenden Kliffs der Neubauten, in denen sich die Lichter der Stadt spiegelten.

46 MÄRCHEN VOM WIEDERAUFBAU
    Chia träumte von einem Strand, der von zerkleinerten Elektronikteilen übersät war; krebsartige Gebilde, deren Beine gestreift waren wie antike Widerstände, hasteten flach am Boden dahin. Die Bucht von Tokio, in den Nebel aus einem alten Film gehüllt, ein fahlgraues Tuch, das für kurze Zeit herannahende Schrecknisse verbergen sollte: Meeresungeheuer oder eine fremde Armada.
    Hak Nam erhob sich vor ihr, als sie darauf zuwatete, rückte jedoch, einer Traumlogik folgend, nicht näher. Der Sog des zurückströmenden Wassers an ihren Knöcheln. Die Ummauerte Stadt wächst. Wird gezüchtet. Aus dem Material des Strandes, aus den Trümmern und dem Strandgut der Welt vor der Veränderung. Unermessliche Tonnen, die im Lauf des großen Wiederaufbaus von Schuten und Kranwagen hier abgeladen worden sind. Die winzigen Rodelvan-Erp-Tierchen wimmeln darin herum, heben die mit Eisen vergitterten Balkone, die Schlafzimmer sind, in die Höhe. Unzählige planlos eingesetzte Fenster werfen leere silberne Rechtecke in den Nebel.

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