Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties
aus. »Arleigh hat uns gebeten, nicht an den Port zu gehen.«
»Sie weiß Bescheid«, sagte Masahiko. »Ich war ganzen Tag dort.« Er trug noch die gleichen Sachen, aber alles war gereinigt und gebügelt worden. Die Beine seiner ausgebeulten schwarzen Hose sahen seltsam aus mit den Bügelfalten. »Und am Telefon mit meinem Vater.«
»Ist er sauer auf dich, weil diese Gumi-Typen da waren?«
»Arleigh McCrae hat Starkow gebeten, jemanden zu unserem Gumi-Repräsentanten zu schicken, um mit ihm zu sprechen. Sie haben sich bei meinem Vater entschuldigt.
Aber Mitsuko ist in der Nähe des Hotel Di festgenommen worden. Das hat ihn beschämt und ihm Schwierigkeit gemacht. «
»Festgenommen?«
»Hausfriedensbruch. Sie hat sich an der Wache beteiligt. Ist auf einen Zaun geklettert und hat dabei Alarm ausgelöst. Ist erst wieder rausgekommen, als die Polizei da war.«
»Geht es ihr gut?«
»Mein Vater hat dafür gesorgt, dass sie freigelassen wird. Aber er ist nicht erfreut.«
»Ich hab das Gefühl, als wär das meine Schuld«, sagte Chia.
Er zuckte die Achseln und ging wieder nach nebenan.
Chia stand auf. Ihr Sandbenders stand neben der Tasche auf dem Gepäckständer, mit ihrer Brille und den Fingersets darauf. Sie nahm ihn mit ins andere Zimmer.
Es war ein einziges Durcheinander. Irgendwie hatte er es geschafft, es in sein Zimmer zu Hause zu verwandeln. Die Laken auf dem Bett waren verknäuelt. Durch die offene Badezimmertür sah sie zusammengeknüllte Handtücher auf dem Fliesenboden und eine ausgelaufene Shampooflasche auf der Ablage neben dem Waschbecken. Er hatte seinen Computer auf dem Schreibtisch aufgebaut; seine Schülermütze lag daneben. Überall standen offene Espresso-Minidosen herum, und sie sah mindestens drei Tabletts des Zimmerservice mit halbleeren Ramen-Porzellanschüsseln.
»Hat jemand dort Zona gesehen?«, fragte sie und schob ein Kissen und eine aufgeschlagene Illustrierte am Fußende des Bettes beiseite. Sie setzte sich mit ihrem Sandbenders auf dem Schoss hin und begann, sich die Fingersets überzustreifen.
Sie hatte den Eindruck, dass er sie seltsam ansah, dann sagte er: »Ich glaube nicht.«
»Bring mich so rein wie beim ersten Mal«, sagte sie. »Ich will’s nochmal sehen.«
Hak Nam. Tai Chang Street. Die Wände wimmelten von sich verlagernden Botschaften in den Schriftzeichen sämtlicher Schriftsprachen. Eingänge schossen vorbei, jeder ein Hinweis auf eine eigene, geheime Welt. Und diesmal nahm sie die zahllosen Geister, die sie beobachteten, noch deutlicher wahr. So mussten sich die Menschen hier präsentieren, wenn man nicht in direkter Verbindung mit ihnen stand. Eine Stadt voller schattenhafter Geister. Diesmal nahm Masahiko jedoch einen anderen Weg, und sie stiegen nicht das verschlungene Treppenlabyrinth hinauf, sondern schlängelten sich auf einer Ebene hinein, die in der ursprünglichen Stadt das Erdgeschoss gewesen wäre, und Chia erinnerte sich an das schwarze Loch, die rechteckige Leerstelle auf dem bedruckten Tuch in seinem Zimmer im Restaurant, die er ihr gezeigt hatte.
»Ich muss dich jetzt allein lassen«, sagte er, als sie aus dem Irrgarten in diese Leere hineinschossen. »Sie möchten ungestört sein.«
Er war fort, und zuerst dachte Chia, dort wäre überhaupt nichts, nur ein ganz schwaches gräuliches Licht, das von irgendwo hoch oben herabfiel. Als sie nach oben schaute, löste es sich in ein riesiges, fernes Oberlicht sehr hoch über ihr auf, das mit einem Kompost fremdartiger, ausrangierter Gebilde bestreut war. Sie erinnerte sich an die Dächer der Stadt und die abgelegten Dinge dort oben.
»Es ist seltsam, nicht wahr?« Die Idoru stand in bestickten Gewändern vor ihr, deren winzige, helle Muster von innen erleuchtet wurden und sich bewegten. »Hohl und düster. Aber er hat darauf bestanden, dass wir uns hier mit dir treffen.«
»Wer hat darauf bestanden? Weißt du, wo Zona ist?«
Und vor der Idoru stand ein kleiner Tisch oder ein vierbeiniger Ständer. Er war sehr alt, und seine geschnitzten Drachenbeine waren dick mit abblätternder, blassgrüner Farbe bedeckt. Mitten darauf stand ein einzelnes staubiges
Glas mit etwas Zusammengerolltem darin. Jemand hustete.
»Dies ist das Herz von Hak Nam«, sagte der Etrusker mit der gleichen knarrenden Stimme, die aus unzähligen Samples von trockenen, alten Geräuschen zusammengesetzt war. »Traditionell ein Ort für ernsthafte Gespräche.«
»Deine Freundin ist fort«, sagte die Idoru. »Ich wollte es dir
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