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Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Titel: Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Parco-Geschenkpapier neben der Eingangsklappe zu stellen. Nein, denkt er, während er vor seinem geistigen Auge sieht, wie er drinnen überfallen wird, wie er in einem Papplabyrinth mit gesichtslosen Feinden ringt. Lieber die Schuhe anbehalten.
    Mit einem erneuten Seufzer kniet er sich hin und nimmt das Notebook in beide Hände. Während er einen Moment lang auf den Knien verharrt, hört er die eiligen Schritte der Passanten hinter sich. Dann stellt er das Notebook auf die Keramikfliesen, schiebt es nach vorn, unter der Klappe aus Wellpappe durch, und folgt ihm auf Händen und Knien.
    Er hofft inständig, dass er den richtigen Karton gefunden hat.

    Er erstarrt in dem unerwarteten Licht, der unerwarteten Wärme. Eine einzelne Halogenlampe flutet den winzigen Raum mit der Frequenz von Wüstensonnenlicht. Da es keine Lüftung gibt, heizt sie den Raum auf wie einen Reptilienkäfig.
    »Komm rein«, sagt der alte Mann auf Japanisch. »Lass deinen Arsch nicht so raushängen.« Er ist nackt bis auf eine Art Lendenschurz, etwas Rotes, Gewickeltes, das einmal ein T-Shirt gewesen sein mag. Er hockt im Schneidersitz auf einer zerschlissenen Tatami voller Farbflecken. In der einen Hand hält er eine bunt bemalte Spielzeugfigur, in der anderen einen dünnen Pinsel. Yamasaki sieht, dass das Ding eine Art Modell ist, ein Roboter oder ein militärisches Exoskelett. Es glitzert im sonnengrellen Licht, blau, rot und silbern. Kleine Werkzeuge liegen auf der Tatami verstreut: ein Rasiermesser, ein Eingussschneider, Schmirgelpapierkringel.
    Der alte Mann ist sehr dünn und glatt rasiert, bräuchte aber dringend einen Haarschnitt. Graue Strähnen hängen ihm links und rechts ums Gesicht, und sein verkniffener Mund verleiht ihm eine Miene permanenter Missbilligung. Seine Brille hat ein schweres schwarzes Plastikgestell und archaisch dicke Gläser. Die Gläser fangen das Licht ein.
    Yamasaki kriecht gehorsam in den Karton und spürt, wie die Türklappe hinter ihm zufällt. Er widersteht dem Drang, sich auf Händen und Knien zu verbeugen.
    »Er wartet schon«, sagt der Alte. Die Pinselspitze schwebt über der Figur in seiner Hand. »Da drin.« Nur mit einer Kopfbewegung.
    Yamasaki sieht, dass der Karton mit Versandrollen verstärkt worden ist, ein System, das die traditionelle japanische Ständerwerk-Architektur widerspiegelt. Die Rollen sind mit irgendwo aufgelesenem Polyband verschnürt. Zu viel ist hier in diesem winzigen Raum. Handtücher, Decken, Kochtöpfe auf Pappborden. Bücher. Ein kleiner Fernseher.
    »Da drin?« Yamasaki deutet auf etwas, was er für eine weitere Tür hält. Es sieht aus wie ein Eingang zu einem Verschlag. Der Eingang ist mit dem schmutzigen Rechteck einer melonengelben Schaumstoffdecke verhängt, einer Decke, wie man sie in Kapselhotels findet. Aber die Pinselspitze senkt sich und berührt das Modell, der Alte ist wieder in der dazu erforderlichen Konzentration versunken, und so kriecht Yamasaki auf Händen und Knien durch den absurd kleinen Raum und zieht das Stück Decke beiseite. Dunkelheit.
    »Laney-san?«
    Etwas, was wie ein zerknautschter Schlafsack aussieht. Er riecht Krankheit …
    »Ja?« Ein Krächzen. »Hier drin.«
    Yamasaki holt tief Luft, kriecht hinein, schiebt sein Notebook vor sich her. Als die melonengelbe Decke wieder vor den Eingang fällt, schimmert Helligkeit durch das Synthetikgewebe und den dünnen Schaumstoffkern wie tropisches Sonnenlicht, das man aus der Tiefe einer Korallengrotte sieht.
    »Laney?«
    Der Amerikaner stöhnt. Dreht sich anscheinend um oder setzt sich auf. Yamasaki kann es nicht sehen. Etwas bedeckt Laneys Augen. Das rote Blinken einer Diode. Kabel. Das schwache Glimmen des Interface, das sich als dünne Linie auf Laneys schweißglattem Wangenknochen spiegelt.
    »Ich bin jetzt tief drin«, sagt Laney und hustet.
    »Tief worin?«
    »Die sind Ihnen doch nicht etwa gefolgt, wie?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Ich würde es merken.«
    Yamasaki spürt, wie ihm auf einmal der Schweiß aus beiden Achselhöhlen rinnt und an seinen Rippen hinabläuft. Er zwingt sich zu atmen. Die Luft hier drin ist dick und übelriechend. Er denkt an die siebzehn bekannten Arten multiresistenter Tuberkulose.

    Laney holt rasselnd Luft. »Aber sie suchen nicht nach mir, oder?«
    »Nein«, sagt Yamasaki, »sie suchen nach ihr.«
    »Die finden sie nicht«, sagt Laney. »Nicht hier. Nirgendwo. Nicht jetzt.«
    »Warum sind Sie weggelaufen, Laney?«
    »Das Syndrom«, sagt Laney und hustet erneut, und

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