Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties
seinen Beutel und machte sich auf den Weg die Rampe hinab, froh, sich die Beine vertreten zu können. Er schaute zu Creedmore zurück. »Bis irgendwann mal, Buell.«
»Himmelarsch«, sagte Creedmore, aber Rydell bezog es eher auf das Universum, das Rydell hervorgebracht hatte, als auf sich selbst. Creedmore wirkte verloren und isoliert, wie er da so blinzelnd unter den grünlichweißen Lichtleisten stand.
Rydell ging weiter die ramponierte Betonspirale des Parkhauses hinab, fünf Ebenen, bis er auf Höhe des Büros an
der Einfahrt herauskam. Die Universal-Wachleute tranken Kaffee und sahen sich das Ende ihres Tierfilms an. Jetzt war das Reh im Schnee unterwegs, Schnee, der waagrecht wehte und die vollkommen senkrechten Wände von Detroits totem, monumentalem Herzen mit Eis überzog, riesige, schwarze Backsteinzinken, die sich in den weißen Himmel reckten und darin verschwanden.
Sie drehten ziemlich viele Tierfilme dort.
Er trat auf die Straße hinaus und hielt Ausschau nach einem Taxi oder einem Laden, wo es Frühstück gab. Er roch, dass San Francisco anders war als Los Angeles, und das war ihm recht. Er würde sich was zu essen genehmigen und dann mit der brasilianischen Brille in Tokio anrufen.
Mal sehen, was es mit diesem Geld auf sich hatte.
11 DER ANDERE
Da Chevette noch nie einen Standard gefahren hatte, fiel es Tessa zu, sie nach San Francisco zu bringen. Tessa schien nichts dagegen zu haben. Sie war voll und ganz mit der Doku beschäftigt, die sie machen würden, und konnte ihr Projekt weiter ausarbeiten, während sie am Steuer saß. Sie erzählte Chevette von den diversen Gemeinschaften, über die sie berichten wollte, und wie sie alles zusammenbauen würde. Chevette brauchte nichts weiter zu tun, als zuzuhören oder zumindest ein aufmerksames Gesicht zu machen, und schließlich schlief sie einfach ein. Sie schlief ein, während Tessa ihr von der sogenannten Ummauerten Stadt erzählte, einem Ort in der Nähe von Hongkong, dass es den tatsächlich mal gegeben hatte, man ihn jedoch abgerissen hatte, bevor Hongkong an China zurückgefallen war. Und dann hatten diese verrückten Netzleute ihre eigene Version der Ummauerten Stadt errichtet, eine Art große gemeinschaftliche Website, hatten sie von innen nach außen gekehrt und waren darin verschwunden. Es klang ziemlich kraus, als Chevette wegnickte, aber es erzeugte Bilder in ihrem Kopf. Träume.
»Was ist mit dem anderen?«, fragte Tessa gerade, als Chevette aus diesen Träumen erwachte.
Chevette blinzelte auf die Five hinaus, auf die weiße Linie, die sich unter dem Van aufzurollen schien. »Welchem anderen? «
»Dem Cop. Mit dem du nach Los Angeles gegangen bist.«
»Rydell«, sagte Chevette.
»Warum hat das nicht geklappt?«, fragte Tessa.
Chevette hatte keine richtige Antwort darauf. »Hat’s eben nicht.«
»Und deswegen musstest du was mit Carson anfangen?«
»Nein«, sagte Chevette, »musste ich nicht.« Was waren diese vielen weißen Dinger auf dem Feld da drüben? Winddinger: Die machten Strom. »Hat halt grade reingepasst.«
»Ist mir auch schon paarmal passiert«, sagte Tessa.
12 EL PRIMERO
Fontaine sieht den Jungen zum ersten Mal, als er sich anschickt, die morgendliche Ware in sein kleines Schaufenster zu legen: struppiges dunkles Haar über einer ans Panzerglas gedrückten Stirn.
Fontaine lässt über Nacht nichts Wertvolles im Schaufenster liegen, aber er findet es auch nicht gut, wenn die Auslage völlig leer ist.
Ihm gefällt die Vorstellung nicht, jemand könnte im Vorbeigehen diese Leere sehen. Dabei muss er an den Tod denken. Deshalb lässt er jede Nacht ein paar relativ wertlose Sachen drin – vorgeblich als Hinweis darauf, was es im Laden zu kaufen gibt, in Wahrheit jedoch als heimlichen Akt beschwichtigender Magie.
An diesem Morgen enthält das Schaufenster drei minderwertige mechanische Uhren aus der Schweiz mit altersfleckigen Zifferblättern, ein IXL-Taschenmesser mit Doppelklinge, Jiggedbone-Griffschalen und Fingerschutz, guter Zustand, sowie ein ostdeutsches Feldtelefon, das von seinem Design her so aussieht, als könnte es eine Atombombenexplosion nicht nur überstehen, sondern dabei auch noch funktionieren.
Fontaine, der immer noch den ersten Kaffee dieses Morgens trinkt, starrt durch die Scheibe auf die verfilzten, stachligen Haare hinab. Zuerst glaubt er, einen Toten vor sich zu sehen — es wäre nicht der Erste, den er auf diese Weise entdeckt hat, aber noch keiner hat so an der Scheibe gelehnt und auf
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