Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Titel: Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
Vom Netzwerk:
Kaulun, wahrscheinlich eine zusammengerollte Zeitung.
    Rydell wusste nicht, wie er das Zugangssegment überspringen sollte, ein monolithisches, vage ägyptisches Gebilde, das ihn an die »Korridor-Metaphysik« erinnerte, wie sein Kumpel Sublett, ein Filmfreak, es genannt hatte. Das hier war ein ätzend langer Korridor, und wenn er real gewesen wäre, hätte man mit einem Riesentruck durchfahren können. Es gab barocke Wandleuchter, virtuelle purpurrote Auslegeware und ein merkwürdiges, schäbiges Texture-Map, das in Richtung goldfleckigen Marmor ging.
    Wo hatte Laney diesen Burschen bloß aufgetrieben?
    Schließlich gelang es Rydell, die Musik – etwas andeutungsweise Klassisches, was immer mehr anschwoll – abzuschalten, aber es kam ihm vor, als würde er trotzdem noch drei Minuten bis zu Selwyn F. X. Tongs Türen brauchen. Die waren hoch, sehr hoch, und so gerendert, dass sie einer allgemeinen Vorstellung von tropischem Hartholz entsprachen.
    »Teak, du dicke Scheiße«, sagte Rydell.
    »Willkommen«, sagte eine atemlose, hyperfeminine Stimme, »im Notariat von Selwyn F. X. Tong!«
    Die Türen schwangen auf. Rydell nahm an, dass die Musik jetzt beim Höhepunkt angelangt wäre, wenn er sie nicht abgeschaltet hätte.

    Virtuell hatte das Büro des Notars die Ausmaße eines olympischen Schwimmbeckens, aber es mangelte an Details. Rydell zoomte mit Hilfe des Wipptastenfelds seiner Brille direkt auf den Schreibtisch, der ungefähr so groß wie ein Billardtisch und im gleichen billigen Holzlook gerendert war. Darauf lagen einige nichtssagende, metallisch aussehende Gegenstände und ein paar Blatt virtuelles Papier.
    »Wofür steht das F. X.?«, fragte Rydell.
    »Francis Xavier«, antwortete Tong, der sich als eine Art Comicfigur präsentierte: ein kleiner Chinese mit ausdruckslosem Gesicht, weißem Hemd, schwarzer Krawatte und schwarzem Anzug. Die schwarzen Haare und der schwarze Anzug waren in der gleichen Textur gerendert, ein seltsamer Effekt, den Rydell für unbeabsichtigt hielt.
    »Ich dachte, Sie hätten vielleicht was mit Film zu tun«, sagte Rydell, »quasi so ’ne Art Spitzname: FX, ›Spezialeffekte‹, stimmt’s?«
    »Ich bin Katholik«, erwiderte Tong in neutralem Ton.
    »Sollte keine Beleidigung sein«, sagte Rydell.
    »Das habe ich auch nicht so aufgefasst«, sagte Tong. Sein Plastikgesicht glänzte ebenso wie seine Plastikaugen.
    Man vergisst immer, wie mies dieses Zeug aussehen kann, wenn man nicht richtig damit umgeht, dachte Rydell.
    »Was kann ich für Sie tun, Mr Rydell?«
    »Hat Laney Ihnen das nicht gesagt?«
    »Laney?«
    »Colin«, sagte Rydell. »Leerzeichen. Laney.«
    »Und …?«
    »Sechs«, sagte Rydell. »Null. Vier. Zwo.«
    Tongs Plastikaugen wurden schmal.
    »Berry.«
    Tong schürzte die Lippen. Durch ein breites Fenster hinter ihm sah Rydell die Skyline von Hongkong, in einer anderen Auflösung.
    »Berry«, wiederholte Rydell.

    »Danke, Mr Rydell«, sagte der Notar. »Mein Klient hat mich ermächtigt, Ihnen diese siebenstellige Identifikationsnummer zu geben.« Ein goldener Füllfederhalter erschien in Tongs rechter Hand, wie bei einem Anschlussfehler in einem Studentenfilm. Es war ein sehr großer, kunstvoll gerenderter Füller mit wirbelnden Drachen, deren Schuppen eine höhere Auflösung hatten als alles andere in der Site. Wahrscheinlich ein Geschenk, dachte Rydell. Tong schrieb die sieben Ziffern auf eins der virtuellen Blätter und drehte es dann auf dem Schreibtisch um, damit Rydell sie lesen konnte. Der Füller war auf dieselbe unnatürliche Weise verschwunden, wie er erschienen war. »Bitte wiederholen Sie diese Nummer nicht laut«, sagte Tong.
    »Warum nicht?«
    »Wegen der Verschlüsselung«, sagte Tong nebulös. »Sie können sich die Nummer aber in aller Ruhe einprägen.«
    Rydell sah sich die sieben Ziffern an und begann, eine Eselsbrücke zu entwerfen. Schließlich fand er eine, die auf seinem Geburtstag, der Anzahl der Staaten bei seiner Geburt, dem Sterbealter seines Vaters und einem mentalen Bild von zwei Dosen 7-Up basierte. Als er sicher war, dass er sich die Nummer eingeprägt hatte, blickte er zu Tong auf. »Wo kriege ich den Kreditchip?«
    »An jedem Bankautomaten. Haben Sie eine Bild-ID?«
    »Ja.«
    »Dann sind wir fertig.«
    »Eins noch«, sagte Rydell.
    »Was denn?«
    »Sagen Sie mir, wie ich hier rauskomme, ohne dass ich durch Ihren Korridor zurückmuss. Ich will einfach direkt raus, okay?«
    Tong musterte ihn mit ausdruckslos-höflicher Miene. »Klicken Sie

Weitere Kostenlose Bücher