Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties
rumnervten, weil sich ein Bote nicht abgemeldet hatte. »Wie spät?«
»Hm?«
»Sie wollen wissen, wann du weg bist.«
»Vielleicht zehn Minuten, nachdem ich reingegangen bin. Höchstens fünfzehn. Der Keller da drin ist ’n Labyrinth. «
»Du bist zwei Minuten und achtzehn Sekunden nach halb sieben rein«, sagte er. »Das haben sie festgehalten, als sie dich gescannt haben. Der Auftrag, dieser Anwalt — mit dem haben sie gesprochen, deshalb wissen sie, dass du geliefert hast.« Er hatte immer noch diesen Gesichtsausdruck.
»Was ist los, Bunny? Sag ihnen, dass ich’s verbaselt habe, und basta.«
»Du bist sonst nirgends hingegangen? In dem Hotel?«
»Mh-mh«, sagte sie und fühlte, wie diese komische Woge sie durchlief, als ob sie eine Linie überschritten hätte und nicht mehr zurück könnte. »Ich hab dem Typen sein Päckchen gegeben , Bunny.«
»Ich glaube nicht, dass es das Päckchen dieses Burschen ist, was denen Kopfzerbrechen macht«, meinte Bunny.
»Was dann?«
»Hör mal, Chev«, sagte er, »wenn so ’n Wachmann anruft, ist das eine Sache. Tut mir leid, Chef, soll nicht wieder vorkommen. Aber das war jemand aus den oberen Etagen der Firma, IntenSecure heißt sie, und er hat Wilson persönlich angerufen.« Den Eigentümer von Allied. »Also muss ich gut Wetter bei Wilson und Mr Security machen, ich muss Grasso an die Tafel setzen, und der baut natürlich einen Mist nach dem anderen …«
»Bunny«, sagte sie, »das tut mir leid.«
»He. Dir tut’s leid, mir tut’s leid, aber da sitzt so ’n Großarsch von ’nem Privatcop hinter seinem Schreibtisch und
will von dem verdammten Wilson wissen, was genau du getan hast, nachdem du diesem Anwalt sein Päckchen gegeben hattest. Was für eine Angestellte du eigentlich bist, wie lange du schon für Allied als Botin arbeitest, ob du vorbestraft bist, ob du Drogen nimmst, wo du wohnst .«
Chevette sah die schwarzen Gläser von diesem Arschloch, genau dort, wo sie sie hingetan hatte. In ihrem Etui, hinter Skinners Geographics von ’97. Sie versuchte, sie mit Geisteskraft von dort hochzuheben. Ganz nach oben auf das Dach mit seinem Teergeruch und über den Rand. Ab mit den Mistdingern in die Bucht, wie sie es schon heute morgen hätte tun sollen. Aber nein, sie waren da.
»Das ist nicht normal «, sagte Bunny. »Weißt du, was ich damit meine?«
»Hast du ihnen gesagt, wo ich wohne, Bunny?«
»Draußen auf der Brücke«, sagte er und verzog das Gesicht dann zu einem ganz kleinen Grinsen. »Du hast ja nicht gerade ’ne sonderlich präzise Adresse, stimmt’s?« Jetzt drehte er sich mit dem Stuhl um und begann die Monitore abzuschalten.
»Bunny«, sagte sie, »was werden die jetzt tun?«
»Kommen und dich suchen.« Mit dem Rücken zu ihr. »Hier. Weil sie nicht wissen, wo sie sonst hingehen sollen. Du hast doch nichts angestellt , oder, Chevy?« Auf seinem Hinterkopf waren graue Stoppeln zu sehen.
Automatisch. »Nein. Nein … Danke, Bunny.«
Er grunzte zur Erwiderung, neutral, und entließ sie damit, und Chevette war wieder draußen auf dem Flur. Ihr Herz klopfte unter Skinners Jacke. Die Treppe rauf, zur Tür raus, in Gedanken auf dem schnellsten Weg nach Hause, über rote Ampeln weg, ich muss diese Brille loswerden, ich muss …
Sammy Sal hatte Ringer gegen eine blaue Recyclingtonne gedrückt. Besorgnis begann Ringers rudimentäre Sicht der Dinge zu durchdringen. »Ich hab dir doch nix getan, Mann.«
»Du hast schon wieder deinen Namen in Fahrstühle geschnitzt, Ringer.«
»Aber ich hab dir doch nix getan!«
»Ursache und Wirkung, du Arschloch. Wir wissen, dass dich das total überfordert, aber versuch’s mal: Wenn du Scheiße baust , kommt noch mehr Scheiße nach. Wenn du dein Zeichen in die hübschen Fahrstühle der Kunden kratzt, kriegst du’s mit uns zu tun, Mann.« Sammy Sal spreizte die langen braunen Finger seiner linken Hand über Ringers zerbeulten Helm, umfasste ihn wie einen Basketball, drehte ihn und hob ihn gleichzeitig an, so dass sich die Riemen in Ringers Kinn gruben.
»’ch hab doch nix gemacht !«, gurgelte Ringer.
Chevette zwängte sich an ihnen vorbei und ging zum Fahrradständer unter dem Wandporträt von Shapely. Jemand hatte ihm eine Kondomladung taubenblauer Farbe in sein seelenvolles Märtyrerauge geschossen, und das Blau lief ihm über seine ganze geweihte Wange.
»He«, rief Sammy Sal, »komm her und hilf mir, diesen Saftsack zu malträtieren!«
Sie steckte die Hand in die Erkennungsschlaufe und
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