Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties
beginnen«, sagte Fiona X, »oder als Feinde der Menschheit gebrandmarkt werden.«
Die Tür zum Vermittlungsbüro, dessen Wände so dick mit angepinnten Zeitplänen, Stadtplänen, zerfetzten städtischen Meldeformularen und gefaxten Beschwerden bedeckt waren, dass Chevette keine Ahnung hatte, wie die Flächen darunter aussehen mochten, ging auf. Bunny streckte seinen zernarbten, ungleichmäßig rasierten Kopf heraus wie eine Schildkröte, kniff im Licht des Flurs die Augen zusammen und schaute automatisch nach oben; sein Blick wurde vom Ton von Fiona X’s Satzfetzen angezogen. Beim Anblick ihrer Maske wurde sein Gesicht ausdruckslos, und
er hatte innerlich schneller umgeschaltet, als er zu ihr hingeschaut hatte. »Du«, sagte er, den Blick wieder auf Chevette gerichtet, »Chevy. Rein hier.«
»Wart auf mich, Sammy Sal«, sagte sie.
Bunny Malatesta war dreißig Jahre lang Fahrradbote in San Francisco gewesen und wäre immer noch einer, wenn seine Knie und sein Rücken ihn nicht im Stich gelassen hätten. Er war gleichzeitig das Beste und das Schlechteste an der Arbeit bei Allied. Das Beste, weil er einen Fahrradplan der Stadt hinter den Augen hatte, der alles schlug, was ein Computer hervorbringen konnte. Er kannte jedes Haus und jede Tür und wusste, wie es dort mit der Security aussah. Bunny beherrschte den Botenjob aus dem Effeff, und was noch besser war, er kannte die Legenden, die Geschichte, die ganzen Stories, die einem vermittelten, dass man an etwas beteiligt war, das die Mühe lohnte, so verrückt es auch sein mochte. Er war selbst eine Legende, dieser Bunny; im Verlauf seines Fahrerlebens hatte er sein Emblem in die Windschutzscheiben von sieben Streifenwagen geritzt, ein Rekord, der immer noch stand. Aber aus den gleichen und noch mehr Gründen war er auch das Schlechteste, weil man ihm kein dummes Zeug erzählen konnte. Bei jedem anderen Vermittler konnte man sich hin und wieder ein wenig mehr Luft verschaffen. Aber nicht bei Bunny. Der wusste einfach Bescheid.
Chevette folgte ihm hinein. Er machte die Tür hinter ihr zu. Die Telebrille, die er zum Vermitteln benutzte, baumelte ihm um den Hals; ein gepolstertes Okular war mit Zellophanband verklebt. Der Raum hatte keine Fenster, und Bunny ließ das Licht aus, wenn er arbeitete. Ein halbes Dutzend Farbmonitore war im Halbkreis vor einem schwarzen Drehsessel angeordnet, auf den Bunnys pinkfarbene Kreuzbeinschoner-Rückenstütze aus Gummi geschnallt war, die wie eine riesige, geschwollene Larve aussah.
Bunny rieb sich mit den Handballen das Kreuz. »Die Bandscheibe bringt mich um«, sagte er, nicht direkt an Chevette gewandt.
»Du solltest mal Sammy Sal ranlassen«, schlug sie vor. »Der kriegt das hin.«
»Die ist schon hin, Schätzchen. Das isses ja. Jetzt erzähl mir mal, was du gestern Abend drüben im Morrisey gemacht hast. Und ich will ’ne gute Geschichte von dir hören.«
»Was hingebracht«, sagte Chevette wie automatisch. Nur auf diese Weise hatte sie eine Chance, wenn sie lügen und damit durchkommen wollte. Sie hatte halbwegs mit so etwas gerechnet, aber nicht so schnell.
Sie sah zu, wie Bunny die Brille abnahm, ausstöpselte und oben auf einen der Monitore legte. »Wie kommt’s dann, dass du dich nicht abgemeldet hast? Sie haben uns deswegen angerufen und gesagt, du wärst reingegangen, um was abzugeben, sie hätten deine Abzeichen gescannt, aber du wärst nicht wieder rausgekommen. Hört mal, hab ich zu denen gesagt, ich weiß, dass sie jetzt nicht mehr da drin ist, Jungs, weil ich sie mit ’nem Auftrag zur Alabama Street rausgeschickt habe, klar?« Er beobachtete sie.
»He, Bunny«, sagte Chevette, »es war meine letzte Tour, mein Rad war unten im Keller, ich hab ’nen Lastenaufzug gesehen, der grade runterfuhr, und bin reingesprungen. Ich weiß, dass ich mich bei der Security abmelden soll, aber ich dachte, sie hätten jemand am Garagenausgang, verstehst du? Ich fahr also die Rampe rauf, kein Mensch da, aber ein Wagen fährt grade raus, und da bin ich unter der Schranke durch und raus auf die Straße. Hätt ich da nochmal umkehren und die Nummer mit dem Foyer machen sollen?«
»Das weißt du. So lauten die Vorschriften.«
»Es war schon spät, verstehst du?«
Bunny setzte sich in den Stuhl mit dem Kreuzbeinschoner, wobei er zusammenzuckte. Er umfasste jedes Knie mit einer Hand mit dicken Knöcheln und starrte sie an. Das war
gar nicht Bunnys Art. Als ob ihn etwas wirklich beunruhigte. Nicht bloß Sicherheitsbullen, die
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