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Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Titel: Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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versuchte, den Lenker aus dem Gewirr von Molybdänstahl, Graphit und Aramitbeschichtungen zu befreien. Die Alarmanlagen der anderen Räder gingen alle gleichzeitig los, ein wüster Chor von ohrenzerreißendem Gehupe, digitalem Basssirenengeheul und einem ausgedehnten, lautstarken Ausbruch spanischer Flüche, die wie das Zischen einer Schlange klangen, geschickt vermischt mit dem schmerzerfüllten Gejaule eines Tieres. Sie schwang ihr Fahrrad herum, steckte den Zeh in den Bügel und stieß sich zur Straße hin ab. Als sie aufstieg, wäre sie beinahe auf der anderen Seite runtergefallen. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Sammy Sal Ringer losließ.
    Sie sah, wie Sammy Sal auf sein eigenes Rad sprang, ein pinkfarbenes, schwarz geflecktes Ding mit dicken Reifen
und Fluorofelgen, die über einen Nabengenerator liefen.
    Sammy Sal fuhr ihr nach. Sie hatte noch nie weniger Wert auf Gesellschaft gelegt.
    Sie sauste davon.
    Projen. Einfach projen.
    Wie in ihrem morgendlichen Traum, nur mit mehr Angst.

12 AUGENBEWEGUNG
    Rydell sah die beiden Cops aus San Francisco an, Swobodow und Orlowsky, und kam zu dem Schluss, dass die Arbeit für Warbaby vielleicht doch ganz interessant sein konnte. Diese Typen waren das Wahre, die waren echt heavy. Die Mordkommission war die Nummer eins in jedem Department, ganz gleich wo.
    Jetzt war er gerade mal achtundvierzig Minuten in Nordkalifornien, und schon saß er mit der Mordkommission an einem Tresen und trank Kaffee mit den Jungs. Das heißt, sie tranken Tee. Heißen Tee. Aus Gläsern. Mit massenhaft Zucker. Rydell saß am anderen Ende, auf der anderen Seite von Freddie, der Milch trank. Dann kam Warbaby, der immer noch seinen Hut aufhatte, dann Swobodow, dann Orlowsky.
    Swobodow war fast genauso groß wie Warbaby, schien jedoch nur aus Sehnen und dicken Knochenknubbeln zu bestehen. Er hatte lange, helle Haare, die von seiner felsenartigen Stirn straff nach hinten gekämmt waren, dazu passende Augenbrauen und eine straffe, glänzende Haut, als ob er zu lange vor einem Feuer gestanden hätte. Orlowsky war dunkelhäutig und dünn, hatte eine Witwenspitze, haufenweise Haare auf den Fingerrücken und eine Brille, deren Gläser so aussahen, als ob sie in der Mitte abgesägt worden wären.
    Sie hatten beide diese Nummer mit den Augen drauf, ihr Blick durchbohrte einen, hielt einen fest und sank tief ein, träge und schwer wie Blei.
    Auf der Polizeiakademie hatte Rydell einen Kurs darin belegt, aber der hatte bei ihm nicht richtig verfangen. Er
lief unter dem Titel »Augenbewegung – Desensibilisierung und Reaktion« und wurde von einem pensionierten forensischen Psychologen der Duke University namens Bagley abgehalten. Bagley neigte dazu, vom Thema abzuschweifen und sich in Geschichten über Massenmörder, mit denen er auf der Duke University gearbeitet hatte, Todesfälle durch autoerotische Strangulation und solche Sachen zu verlieren. Jedenfalls brachte man damit die Zeit zwischen »Techniken zur Verhinderung von Schwerstverbrechen« und »Szenarios für das Schießtrainings-System« herum. Aber nach der Verbrechensverhinderung war Rydell meistens ein bisschen durch den Wind, weil ihn der Kursleiter immer wieder bat, den Part des Verbrechers zu übernehmen. Er hatte keine Ahnung, warum. Deshalb fiel es ihm schwer, sich bei der Augenbewegung zu konzentrieren. Und wenn es ihm doch einmal gelang, bei Bagley etwas Brauchbares aufzuschnappen, hatte er es nach einer SSS-Sitzung meistens schon wieder vergessen. SSS war wie das Spielen mit Traumwänden, aber mit Waffen, und zwar mit echten.
    Wenn SSS die Trefferquote berechnete, zerrte es einen direkt in die Eintrittswunden rein, die eigenen oder die des anderen, und verkündete, ob der Verlierer verblutet war oder einen hydrostatischen Schock erlitten hatte. Es gab Leute, die nach ein paar SSS-Sitzungen ausgewachsene posttraumatische Krisen hatten, aber Rydell kam immer mit diesem selbstgefälligen Grinsen raus. Es lag nicht daran, dass er gewalttätig war oder dass ihm der Anblick von Blut nichts ausmachte; es war einfach so ein Rausch. Und es war nicht real. Deshalb hatte er nicht gelernt, diese offizielle Voodoo-Nummer abzuziehen und Leute mit seinen Augen zu behexen. Aber dieser Lieutenant Swobodow, der hatte das voll drauf, und sein Partner, Lieutenant Orlowsky, verfügte über eine eigene Version, die fast genauso wirksam war, und er tat es über die abgesägten Gläser hinweg. Der
Kerl sah sowieso schon wie ein Werwolf aus, was ganz hilfreich

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