Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties
wobei er jedes Wort gleich betonte.
»Wer, zum Teufel, bist du denn?« Skinner klang eher interessiert als verärgert. Die Pistole ging los. Nicht sehr laut, aber scharf, mit einem blauen Blitz. Sie sah, wie sich der Japaner auf den Boden setzte, als ob seine Beine unter ihm nachgegeben hätten, und dachte, der Kerl hätte ihn erschossen.
»Schnauze!« Dann nach oben zu Chevette: »Ich hab gesagt, du sollst runterkommen.«
Dann berührte Sammy Sal sie im Nacken. Seine Fingerspitzen schoben sie zur Luke, dann zog er sie wieder zurück.
Vielleicht wusste der Kerl nicht mal, dass Sammy Sal hier oben war. Sammy Sal hatte die Brille. Und eins war Chevette jetzt klar: Dieser Kerl war kein Cop.
»Tut mir leid«, sagte der Japaner. »Tut mir leid, ich …«
»Ich schieß dir gleich eine Infraschall-Titanium-Kugel ins rechte Auge.« Immer noch lächelnd, so wie er vielleicht sagen würde: Ich spendier dir ein Sandwich.
»Ich komm ja schon«, sagte Chevette. Und er schoss nicht, weder auf sie, noch auf den Japaner.
Sie glaubte zu hören, wie Sammy Sal auf dem Dach zurücktrat, weg von ihr, aber sie schaute nicht zurück. Sie wusste nicht recht, ob sie versuchen sollte, die Luke hinter sich zuzumachen oder nicht. Sie entschied sich dagegen, weil der Kerl ihr nur befohlen hatte, herunterzukommen. Sie würde über den Rand des Lochs hinauslangen müssen, um die Klappe zu fassen zu kriegen, und das würde für ihn vielleicht so aussehen, als ob sie nach einer Waffe griff. Wie im Fernsehen.
Sie stieg von der untersten Sprosse auf den Boden und versuchte, ihre Hände dort zu lassen, wo er sie sehen konnte.
»Was hast du da oben gemacht?« Immer noch lächelnd. Seine Pistole hatte keinerlei Ähnlichkeit mit Oakleys großem, altem brasilianischem Revolver; sie war ein kleines,
stummeliges, rechteckiges Ding aus stumpfem Metall, von der gleichen Farbe wie Skinners altes Werkzeug. Ein dünner Ring aus einem helleren Metall um das kleine Loch am Ende. Wie die Pupille in einem Auge.
»Hab mir die Stadt angesehen«, sagte sie ohne sonderlich große Angst. Sie fühlte überhaupt nichts, nur ihre Beine zitterten.
Er schaute nach oben. Die Pistole blieb genau dort, wo sie war. Sie wollte nicht, dass er sie fragte, ob sie da oben allein gewesen war, denn die Antwort konnte in der Luft hängenbleiben und ihm verraten, dass sie log. »Du weißt, weshalb ich hier bin.«
Skinner saß aufrecht im Bett, mit dem Rücken an der Wand, und sah wacher aus, als sie ihn je gesehen hatte. Der Japaner, der nun doch nicht den Eindruck machte, als ob er eine Kugel abbekommen hätte, saß auf dem Boden, die dünnen Beine in V-Form vor sich ausgestreckt.
»Geld oder Drogen, schätze ich«, sagte Skinner, »aber da hast du zufällig Pech gehabt. Ich kann dir fünfundsechzig Dollar und ’nen uralten Humboldt-Joint geben, wenn dich das glücklich macht.«
»Schnauze!« Als das automatische Lächeln verschwand, war es, als ob er gar keine Lippen hätte. »Ich rede mit ihr.«
Skinner sah aus, als ob er drauf und dran wäre, etwas zu sagen oder vielleicht zu lachen, aber er tat es nicht.
»Die Brille.« Jetzt war das Lächeln wieder da. Er hob die Pistole, so dass sie direkt in das kleine Loch blickte. Wenn er mich erschießt, dachte sie, muss er weiter nach ihr suchen.
»Hepburn«, sagte Skinner mit einem verrückten kleinen Grinsen, und in diesem Moment bemerkte Chevette, dass Roy Orbison auf dem Poster ein Loch mitten in der grauen Stirn hatte.
»Da unten«, sagte sie und zeigte auf die Bodenluke.
»Wo?«
»Mein Rad.« Sie hoffte, dass Sammy Sal im Dunkeln nicht gegen den rostigen alten Wagen da oben stieß und ein Geräusch machte.
Er schaute zur Dachluke hinauf, als könnte er hören, was sie dachte.
»Stütz dich mit den flachen Händen an die Wand da.« Er kam näher. »Beine auseinander …« Die Pistole berührte ihren Hals. Seine andere Hand glitt unter Skinners Jacke und tastete sie nach einer Waffe ab. »Bleib so.« Er hatte Skinners Messer übersehen, das mit der Fraktalklinge. Sie drehte den Kopf ein wenig und sah, dass er mit einer Hand etwas Rotes und Gummiartiges um ein Handgelenk des Japaners wickelte. Sie dachte an die süßen, weichen Gummischlangen, die man aus einem großen Plastikglas kaufte. Er zerrte an dem roten Ding und schleifte den Japaner über den Boden zu dem Tischbord, an dem sie gefrühstückt hatte. Er schob ein Ende des roten Geschlängels hinter das Winkeleisen, das den Tisch hielt, und wickelte es dann um
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