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Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Titel: Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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du an denen zerrst oder drehst«, sagte Skinner hinter ihm, »werden die Scheißdinger nur enger. Solche hatten die Bullen früher immer dabei. Ist dann als verfassungswidrig verboten worden.« Es gab einen Krach, der den
Raum erbeben und das Licht flackern ließ. Yamasaki schaute über die Schulter nach hinten und sah Skinner vorgebeugt und mit halb angezogenen Knien am Boden sitzen. »Da ist ’n Zwanziger-Bolzenschneider drin«, sagte der alte Mann und deutete mit dem linken Fuß auf einen zerbeulten, von Rost zernarbten grünen Werkzeugkasten. »Damit wird’s gehen, wenn ich ihn rauskriege.« Yamasaki beobachtete, wie er seine Zehen durch die Löcher in den zerrissenen grauen Socken zu schieben begann. »Weiß nicht genau, ob ich mit denen noch was ausrichten kann, wenn ich das Ding erst mal …« Er hielt inne. Sah Yamasaki an. »Hab ’ne bessere Idee. Wird dir aber nicht gefallen.«
    »Skinner-san?«
    »Sieh dir mal die Stütze an.«
    Verfärbte Kleckse von Schweißelektroden hielten das Ding zusammen, aber es sah durchaus stabil aus. Er zählte die nicht zueinander passenden Köpfe von neun Schrauben. Die diagonale Strebe selbst schien aus dünnen Unterlegscheiben zu bestehen, die auf einem rostigen Draht aufgezogen waren.
    »Die hab ich gebaut«, sagte Skinner. »Sind drei Teile vom Blatt einer Fabriksäge. Hab die Zähne nicht abgeschliffen. Sind oben dran.«
    Yamasakis Fingerspitzen fuhren über verborgene Unebenheiten.
    »Ist ’n Versuch wert, Scooter. War aber völlig stumpf, das Ding. Deshalb hab ich’s dafür benutzt.«
    »Ich säge Kunststoff?« Er hob seine Handgelenke.
    »Warte noch. Dieses verrückte Zeug mag’s gar nicht, wenn man dran rumsägt. Du musst schnell durchkommen, sonst zieht es sich bis auf den Knochen zusammen. Warte, hab ich gesagt …«
    Yamasaki erstarrte. Er schaute nach hinten.
    »Du bist zu nah am Mittelpunkt. Wenn du’s da durchsägst, hast du ’nen Ring um jedes Handgelenk, und die
Scheißdinger werden trotzdem enger. Du musst so dicht an einer Seite wie möglich durch, dann kommst du her und schneidest das andere Teil mit dem Bolzenschneider durch, bevor es dich fertigmacht. Ich werd versuchen, den hier aufzukriegen …« Skinner stieß den Kasten mit den Zehen an. Er klapperte.
    Yamasaki ging mit dem Gesicht dicht an die rote Fessel heran. Sie hatte einen schwachen medizinischen Geruch. Er holte Luft, biss die Zähne zusammen und sägte wie wild mit den Handgelenken. Das Ding begann sich zusammenzuziehen. Eisenbänder, ein glühender, unerträglicher Schmerz. Er erinnerte sich an Loveless’ Hand um sein Handgelenk.
    » Mach schon «, sagte Skinner.
    Der Kunststoff riss mit einem absurd lauten Knall, wie ein Soundeffekt in einem Zeichentrickfilm für Kinder. Er war frei, und das rote Band um sein linkes Handgelenk lockerte sich einen Moment lang, als es den Rest der Masse absorbierte.
    »Scooter!«
    Es wurde enger. Er krabbelte zum Werkzeugkasten und sah erstaunt, dass er offen war, als Skinner ihn mit dem Absatz umstieß und hundert Werkzeugteile aus Metall auf den Boden rollen ließ.
    »Blaue Griffe!«
    Der Bolzenschneider war lang und sperrig, und seine Griffe waren mit schmierigem blauem Klebeband umwickelt. Er sah, wie das rote Band enger wurde und in seine Haut einzusinken begann. Fummelte den Bolzenschneider mit einer Hand aus dem Durcheinander, grub seine Scheren blindlings in sein Handgelenk und legte sein ganzes Gewicht auf den oberen Griff. Ein kurzer stechender Schmerz.
    Der Knall.
    Skinner stieß Luft zwischen den Lippen aus, ein langer, leiser Laut der Erleichterung. »Bist du okay?«

    Yamasaki schaute auf seine Handgelenke. Im linken war eine tiefe, bläuliche Furche. Sie begann zu bluten, aber nicht schlimmer, als er erwartet hätte. Das andere war von der Säge angeritzt worden. Er ließ den Blick über den Boden schweifen und suchte nach den Resten der Fessel.
    »Jetzt meine«, sagte Skinner. »Aber hak das Ding unter den Kunststoff, okay? Versuch, mir kein Stück Fleisch abzukneifen. Und mach die zweite schnell auf.«
    Yamasaki testete den Bolzenschneider, kniete sich hinter Skinner und schob eine Schere unter den Kunststoff am rechten Handgelenk des alten Mannes. Die Haut dort war durchscheinend, fleckig und verfärbt, die Venen geschwollen und kringelig. Der Kunststoff ließ sich mühelos zerschneiden; er riss mit dem gleichen absurden Geräusch und schnellte sofort zu Skinners anderem Handgelenk hinüber, wobei er sich wie etwas Lebendiges wand.

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