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Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Titel: Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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her. Nigels Kopf folgte ihm wie der ausbalancierte Kopf des Gipshundes, den Skinner einmal irgendwo gefunden und ihr mitgegeben hatte, damit sie ihn unten verkaufte.
    Jede Wand in diesem kleinen Raum war mit Metall, auseinandergelöteten Stücken von alten Reynolds-Rohren und staubigen Marmeladengläsern voll rostender Speichen vollgestellt. Nigels Werkstatt, in der er Karren baute und an den kaputten Rädern rumbastelte, die man ihm brachte. Der Lachsköder, der ihm von seinem linken Ohr runterhing, tickte im Gegenrhythmus zu seinem hin- und herpendelnden Kopf und klingelte, als er das Ding mitten in der Luft fing. Ein Ball aus rotem Kunststoff.
    »Mann«, sagte er beeindruckt, »wer hat dir das denn verpasst? «
    Chevette stand auf und erschauerte. Das Zittern durchlief sie wie etwas Lebendiges, so, wie sich diese roten Armbänder bewegt hatten.

    Sie fühlte sich jetzt genauso wie an dem Tag, als sie zum Wohnwagen zurückgekommen war und festgestellt hatte, dass ihre Mutter ihre Sachen gepackt hatte und verschwunden war. Keine Nachricht, nur eine Dose Ravioli in einem Topf auf dem Herd, und der Dosenöffner daneben. Sie hatte diese Ravioli nicht gegessen; sie hatte seither nie wieder welche gegessen, und sie wusste, dass sie es auch nie mehr tun würde.
    Aber damals war dieses Gefühl gekommen und hatte alles andere verschlungen. Es war so groß, dass man eigentlich nicht beweisen konnte, dass es da war, außer durch eine Arithmetik des Nichtvorhandenseins und die Erinnerung an bessere Zeiten. Und was immer es war, sie hatte sich in dem Gefühl von einem Punkt zum anderen bewegt, bis sie hinter diesem Zaun in Beaverton gelandet war, an einem Ort, der so schlimm war, dass er wie eine Glasscherbe an der großen Leere rieb. Und dadurch hatte sie dieses Ding mehr und mehr wahrgenommen, das die Welt verschlungen hatte, obwohl es nur ganz knapp sichtbar war, und auch nur bei raschen Seitenblicken. Nicht so sehr ein Gefühl, als vielmehr eine Form von Gas, etwas, das sie fast riechen konnte, ganz hinten im Rachen, etwas das kalt und träge in den Räumen auf ihrem weiteren Weg hing.
    »Bist du okay?« Nigel, die fettigen Haare in den Augen, den roten Ball in der Hand, einen Cocktailsticker mit einem Sträußchen aus bernsteinfarbenem Zellophan im Mundwinkel.
    Sie hatte sich lange gefragt, ob das Fieber es nicht vielleicht weggebrannt hatte, ob es nicht zufällig den Schaltkreis in ihr durchgeschmort hatte, mit dem es gekoppelt war. Als sie sich an die Brücke, an Skinner, an die Arbeit als Botin bei Allied gewöhnt hatte, war es ihr mit der Zeit so vorgekommen, als ob die Leere mit normalen Dingen aufgefüllt würde, als ob eine vollständig neue Welt in der Fassung
der alten herangewachsen wäre und ein Tag in den anderen überginge – ob sie im Dissidenten tanzte, die ganze Nacht herumsaß und mit ihren Freundinnen redete oder eingekuschelt in ihrem Schlafsack in Skinners Bude schlief, wo der Wind die Sperrholzwände scheuerte und die Trossen summend in den Fels hinabliefen, der wie ein ganz besonders träges Meer wogte (das hatte Skinner jedenfalls gesagt).
    Jetzt war all das zerstört.
    »Vette?«
    Diese Springerin, die sie gesehen hatte, die man mit einem hellen Plastikhaken aus dem Wasser zog und die dann über dem Rand eines Schlauchboots hing, weiß und schlaff, während ihr Wasser aus Mund und Nase rann. Man brach oder verrenkte sich sämtliche Knochen, hatte Skinner gesagt, wenn man richtig aufschlug. Sie war nackt durch die Bar gerannt, war per Kopfsprung von einem der mit Touristen besetzten Tische vorne am Geländer hinausgesprungen und hatte sich dann in Harus neonbuntem Fischernetz mit den imitierten japanischen Korken verfangen. Und trieb Sammy Sal jetzt nicht genauso da unten, vielleicht bereits jenseits der Todeszone, die den Fisch in den Jahren verscheucht hatte, als dort das giftige Blei unzähliger Farbschichten angefallen war, hinaus in die Strömung, die die Toten der Brücke am Mission Rock vorbeitrug, wie es hieß, und sie zu Füßen der Reichen mit ihren Mikropore-Klamotten anspülte, die an der Betonküste des China Basin joggten?
    Chevette beugte sich vor und übergab sich. Es gelang ihr, das meiste in eine offene, leere Lackdose zu spucken, deren Rand eine dicke Schorfschicht der grauen Grundierfarbe trug, mit der Nigel seine nicht ganz einwandfreien Flickstellen ausbesserte.
    »He, he.« Nigel tanzte um sie herum, wobei er es auf seine schüchterne, bärenhafte Weise vermied, sie zu

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