Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Idoru

Idoru

Titel: Idoru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
Vom Netzwerk:
Mittwochssendung.« Sie klappte den Computer zu, ohne sich die Mühe zu machen, Clint Hillmans korrigiertes Kinn abzuschalten.
    »Aber so hatte ich Gelegenheit, Ihnen beim Arbeiten -48—
    zuzusehen, Laney. Sie sind ein Naturtalent. Ich wäre beinahe geneigt zu glauben, daß an diesem Knotenpunkt-Quatsch tatsächlich was dran sein könnte. Einiges, was Sie getan haben, war völlig unlogisch, aber ich hab gesehen, wie Sie mir nichts, dir nichts auf Sachen gestoßen sind, die drei erfahrene Rechercheure erst nach einem Monat harter Arbeit ausgegraben hatten. Sie haben’s in einer knappen halben Stunde geschafft.«
    »Teilweise war das illegal«, sagte Laney. »Sie haben die Finger in einigen Bereichen von DatAmerica drin, und das dürften Sie eigentlich gar nicht.«
    »Wissen Sie, was eine Vereinbarung über die Wahrung von Betriebsgeheimnissen ist, Laney?«
    Yamasaki blickte von seinem Notebook auf. »Sehr gut«, sagte er, wahrscheinlich zu Blackwell, »das ist sehr gut.«
    Blackwell verlagerte sein Gewicht. Das Polykarbonatgestell des Stuhls protestierte mit leisem Knarren. »Aber lange geblieben ist er da nicht, oder?«
    »Gutes halbes Jahr«, sagte Laney.
     
    Bei Slitscan konnte ein halbes Jahr eine sehr lange Zeit sein.
    Der größte Teil seines ersten Monatsgehalts ging für die Miete einer mikrokleinen Junggesellenbude in einem umgebauten Parkhaus auf der Broadway Avenue in Santa Monica drauf. Er kaufte sich Hemden, die seiner Ansicht nach eher denen entsprachen, die man bei Slitscan trug, und behielt seine malaysischen Buttondowns als Pyjamahemden. Er kaufte sich eine teure Sonnenbrille und achtete darauf, daß er nie auch nur einen einzigen Filzstift in der Hemdtasche hatte.
    Das Leben bei Slitscan hatte gewissermaßen etwas Konzentriertes. Laneys Kollegen begrenzten sich auf eine spezielle Bandbreite von Emotionen. Ein gewisser Humor wurde sehr geschätzt, wie Kathy gesagt hatte, aber es wurde -49—
    auffallend wenig gelacht. Die erwartete Reaktion war Blickkontakt, ein Nicken, ein angedeutetes Grinsen. Hier wurden Leben zerstört und manchmal wiedererschaffen, Karrieren vernichtet oder in surrealer, unerwarteter Gestalt neu gestartet. Slitscans Geschäft war nämlich der rituelle Aderlaß, und das Blut, das sie abzapften, war eine alchimistische Flüssigkeit: Ruhm in seiner rohesten, reinsten Form.
    Laneys Fähigkeit, wichtige Daten in offenbar beliebigen Wüsten nebensächlicher Informationen ausfindig zu machen, trug ihm den Neid und die widerwillige Bewunderung erfahrenerer Rechercheure ein. Er wurde Kathys Liebling und freute sich beinahe, als er entdeckte, daß ein Gerücht im Umlauf war, demzufolge sie eine Affäre hatten.
    Sie hatten keine – abgesehen von jenem einen Mal bei ihr zu Hause in Sherman Oaks, und das war keine gute Idee gewesen.
    Nichts, was einer von ihnen wiederholen wollte.
    Doch Laney schärfte seinen Blick immer mehr, konzentrierte sich noch stärker, erweiterte die Grenzen dessen, was sich als sein Talent, sein Touch manifestierte. Und das gefiel Kathy.
    Wenn er seinen Datenhelm auf dem Kopf hatte und Slitscans Standleitung ihm die öden Regionen von DatAmerica einspeiste, fühlte er sich zunehmend zu Hause. Er ging, wohin Kathy ihm vorschlug. Er fand die Knotenpunkte.
    Manchmal, wenn er in Santa Monica einschlief, fragte er sich vage, ob es vielleicht ein größeres System gab, ein Feld mit einer übergeordneten Perspektive. Vielleicht hatte DatAmerica als Ganzes seine eigenen Knotenpunkte, Info-Defekte, die möglicherweise zu einer anderen Art von Wahrheit, einer anderen Form des Wissens, tief in grauen
    Informationsschwärmen, führten. Aber nur, wenn es einen gab, der die richtige Frage stellte. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie diese Frage lauten mochte, falls es sie tatsächlich gab, aber er bezweifelte irgendwie, daß sie jemals von einer SBU bei Slitscan gestellt werden würde.
    -50—
    Slitscan stammte von den ›Reality‹-Programmen und den Fernseh-Boulevardmagazinen des späten zwanzigsten Jahrhunderts ab, aber es ähnelte ihnen nicht mehr als ein großer, schneller, zweibeiniger Fleischfresser seinen phlegmatischen, im Seichten lebenden Vorfahren. Slitscan war die ausgereifte Form mit einem weltumspannenden Netz von Ablegern. Slitscans Einkünfte hatten komplette Satelliten und das Gebäude in Burbank finanziert, in dem er arbeitete.
    Slitscan war eine so populäre Sendung, daß sie sich zu etwas entwickelt hatte, was mit der alten Idee eines Netzwerks

Weitere Kostenlose Bücher