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Idoru

Idoru

Titel: Idoru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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den zweiten Fahrstuhl, den sie Calvin zufolge nehmen sollte.
    Die Tür war zerkratzt und eingedellt. Er hatte richtige Tasten, er sprach nicht, und er brachte sie nach unten zu taghell erleuchteten Einkaufspassagen voller Menschen, zu Rolltreppen und Bahnsteigen und Magnetschwebezügen, über denen die ewigen Logos angebracht waren.
    Endlich war sie in Tokio.
    -97-
    11 Einstürzende
    Neubauten
    L aneys Zimmer befand sich hoch oben in einem schlanken Turm, der mit weißen Keramikfliesen verblendet war. Er hatte einen trapezoiden Querschnitt und stammte noch aus dem Boom der Achtziger, der Glaskuppeljahre. Daß er das große Erdbeben überstanden hatte, war der Beweis für die Fähigkeit seiner Erbauer; daß er den anschließenden Wiederaufbau überstanden hatte, der Beweis für ein undurchschaubares Geflecht von Eigentumsverhältnissen und einen andauernden Kampf zwischen zweien der ältesten Verbrecherorganisationen der Stadt. Das hatte ihm Yamasaki im Taxi auf dem Rückweg von der New Golden Street erklärt.
    »Wir wußten nicht recht, was Sie von Neubauten halten würden«, hatte er gesagt.
    »Sie meinen die Nanotech-Gebäude?« Laney hatte sich alle Mühe gegeben, die Augen offenzuhalten. Der Fahrer trug makellos saubere, weiße Handschuhe. »Ja. Manche Leute finden sie beunruhigend.«
    »Keine Ahnung. Ich müßte eins sehen.«
    »Sie können sie von Ihrem Hotel aus sehen, glaube ich.«
    Und das stimmte. Er kannte die schiere Brutalität ihrer Dimensionen von Konstrukten her, aber die Virtualität hatte den eigentümlichen Charakter ihrer Beschaffenheit, einen deutlich sichtbaren, stromlinienförmigen Organizismus, nicht vermitteln können. »Sie sind wie Gigers Bilder von New York«, hatte Yamasaki gesagt, aber das war voll an Laney vorbeigegangen.
    Jetzt saß er auf dem Bettrand und schaute mit ausdrucksloser -98—Miene auf diese Wunder der neuen Technologie hinaus, die so banal und düster waren wie fast alle derartigen Wunder, und er fand sie einfach nur fürchterlich: die größten bewohnten Bauten der Welt. (Die Ummantelung von Tschernobyl war größer, aber darin würde nie ein Mensch leben.) Der Regenschirm, den Yamasaki ihm gegeben hatte, sank schrumpfend in sich zusammen. Löste sich auf.
    Das Telefon klingelte. Er konnte es nicht finden.
    »Telefon«, sagte er. »Wo ist es?«
    An einem flachen Rechteck aus weißem Zedernholz auf einem quadratischen schwarzen Untersatz auf einer Ablage neben dem Bett begann ein rubinroter Lichtpunkt im Rhythmus des Klingeins zu pulsieren. Er hob es hoch. Drückte auf ein winziges Perlmuttquadrat.
    »Hallo«, sagte jemand, »Laney?«
    »Wer ist da?«
    »Rydell. Vom Chateau. Hans hat mir erlaubt, zu telefonieren.« Hans war der Nachtportier. »Lieg ich mit der Zeit richtig? Frühstücken Sie grade?«
    Laney rieb sich die Augen und schaute wieder zu den Neubauten hinaus. »Na klar.«
    »Ich hab Yamasaki angerufen«, sagte Rydell. »Er hat mir Ihre Nummer gegeben.«
    »Danke«, sagte Laney gähnend, »aber ich …«
    »Yamasaki hat gesagt, Sie hätten den Job.«
    »Glaub schon«, sagte Laney. »Vielen Dank. Ich schätze, ich bin Ihnen was …«
    »Slitscan«, sagte Rydell. »Haben sich im ganzen Chateau breitgemacht.«
    »Nein«, sagte Laney. »Das ist vorbei.«
    »Kennen Sie eine Katherine Torrance, Laney? Aus Sherman -99—
    Oaks? Sie ist oben in Ihrer ehemaligen Suite, mit runden zwei Lastwagenladungen Spürgerät. Hans meint, die würden rauszukriegen versuchen, was Sie da oben gemacht haben, ob Sie irgendwelches Dope eingepfiffen haben oder so.«
    Laney starrte zu den Türmen hinaus. Ein Teil einer Fassade schien sich zu bewegen, aber das mußte an seinen Augen liegen.
    »Aber Hans sagt, es ist eh unmöglich, die verbliebenen Moleküle in diesen Zimmern auseinanderzusortieren. In der Suite war immer reichlich was los.«
    »Kathy Torrance? Von Slitscan?«
    »Das haben sie zwar nicht gesagt, aber sie haben einen Haufen Techniker dabei, und Techniker reden immer zuviel, und Dschingis unten in der Garage hat die Aufkleber auf ein paar Kisten gesehen, als sie ausgeladen haben. Sind ungefähr zwanzig Mann, ohne die Hilfskräfte. Haben zwei Suiten und vier Einzelzimmer. Geben kein Trinkgeld.«
    »Aber was machen sie?«
    »Diesen Sensorkram. Versuchen rauszukriegen, was Sie da oben in der Suite angestellt haben. Und einer der Pagen hat gesehen, wie sie eine Kamera aufgebaut haben.«
    Die gesamte Fassade eines der neuen Gebäude schien sich zu kräuseln und leicht zu

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