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Idoru

Idoru

Titel: Idoru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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zerfließen. Laney schloß die Augen und massierte sich den Nasenrücken. Er spürte einen feinen Schmerz, der dort von dem Bruch zurückgeblieben war. Er machte die Augen wieder auf. »Aber ich hab überhaupt nichts angestellt.«
    »Na, egal.« Rydell klang ein wenig beleidigt. »Ich dachte nur, Sie sollten es wissen, weiter nichts.«
    Irgendwas passierte eindeutig mit dieser Fassade. »Ich weiß.
    Danke. Tut mir leid.«
    »Ich sag Ihnen Bescheid, wenn ich was höre«, erklärte -100—
    Rydell. »Wie ist es denn so da drüben?«
    Laney beobachtete eine kleine Lichtspiegelung, die wie eine osmotische Bewegung oder die regelmäßige Kontraktion der Palpen mancher Meeresgeschöpfe über das ferne Bauwerk wanderte. »Merkwürdig.«
    »Ich wette, es ist interessant«, sagte Rydell. »Lassen Sie sich Ihr Frühstück schmecken, ja? Ich melde mich wieder.«
    »Danke«, sagte Laney, und Rydell legte auf.
    Laney stellte das Telefon wieder auf die lackierte Platte und streckte sich voll bekleidet auf dem Bett aus. Er schloß die Augen, weil er die Neubauten nicht sehen wollte. Aber sie waren weiterhin da, in der Dunkelheit und dem Licht hinter seinen Lidern. Unter seinem Blick glitten sie auseinander, zerschmolzen und rannen davon, in die Labyrinthe einer älteren Stadt.
    Er glitt mit ihnen fort.
    -101-

12 Mitsuko
    C hia benutzte einen öffentlichen Dataport in der untersten Ebene des Bahnhofs. Der Sandbenders sendete die Nummer von Mitsuko Mimura, der ›Veranstaltungsorganisatorin‹ der Ortsgruppe Tokio (jeder in der Ortsgruppe Tokio schien einen formellen Titel zu haben), die man ihr mitgegeben hatte. Aus den Lautsprechern des Sandbenders kam die schläfrige Stimme eines Mädchens. Es sprach Japanisch. Die Übersetzung folgte sogleich: »Hallo? Ja? Kann ich etwas für Sie tun?«
    »Hier ist Chia McKenzie, aus Seattle.«
    »Bist du noch in Seattle?«
    »Ich bin hier. In Tokio.« Sie holte den Ausschnitt des Stadtplans in ihrem Sandbenders näher heran. »In einer U-Bahn-Station namens Shinjuku.«
    »Ja. Sehr gut. Kommst du jetzt her?«
    »Ja, würde ich gern. Ich bin wirklich müde.«
    Die Stimme begann, ihr den Weg zu erklären.
    »Schon gut«, sagte Chia, »das kann mein Computer machen.
    Sag mir nur, wo ich aussteigen muß.« Sie fand die Station auf dem Plan und setzte einen Marker. »Wie lange werde ich brauchen?«
    »Zwanzig bis dreißig Minuten, je nachdem, wie voll die Züge sind. Ich hole dich dort ab.«
    »Das brauchst du nicht«, sagte Chia. »Gib mir einfach deine Adresse.«
    »Japanische Adressen sind schwierig.«
    »Kein Problem«, sagte Chia. »Ich hab Global Positioning.«
    Der Sandbenders hatte das Tokioter Telefonverzeichnis -102—durchgearbeitet und zeigte ihr bereits Mitsuko Mimuras Planquadrat an. In Seattle ging das nur bei Geschäftsnummern.
    »Nein«, sagte Mitsuko, »ich muß dich empfangen. Ich bin die Veranstaltungsorganisatorin.«
    »Danke«, sagte Chia. »Bin schon unterwegs.«
    Die Tasche über der Schulter – halb offen, damit sie den verbalen Anweisungen des Sandbenders folgen konnte –, fuhr Chia mit der Rolltreppe zwei Ebenen nach oben, kaufte mit ihrer Cashcard eine Fahrkarte und fand ihren Bahnsteig. Er war wirklich voll, genauso voll wie der Flughafen, doch als der Zug kam, ließ sie sich von der Menge mitziehen und in den nächsten Wagen quetschen; es wäre schwerer gewesen, nicht einzusteigen.
    Bei der Abfahrt hörte sie den Sandbenders verkünden, daß sie nun den Bahnhof Shinjuku verließen.
     
    Der Himmel war wie Perlmutt, als Chia aus dem Bahnhof trat.
    Graue Gebäude, pastellfarbenes Neonlicht, eine mit vage fremdartigen Formen gesprenkelte Straßenlandschaft. Überall standen Dutzende von Fahrrädern, alles zerbrechlich aussehende Gebilde mit kohlefaserumwickelten Papierrohrrahmen. Chia trat einen Schritt zurück, als ein riesiger, türkisfarbener Müllwagen vorbeirumpelte, an dessen hochsitzendem Lenkrad die weiß behandschuhten Hände des Fahrers zu sehen waren. Als er aus ihrem Blickfeld verschwand, sah sie ein japanisches Mädchen in einem kurzen, buntkarierten Rock und einer schwarzen Motorradjacke. Das Mädchen lächelte. Chia winkte.
     
    Mitsukos Zimmer lag im ersten Stock, über dem rückwärtigen Teil des Restaurants ihres Vaters. Chia hörte ein stetiges dumpfes Klopfen von unten, und Mitsuko erklärte, dies sei ein Zubereitungsroboter, der Sachen kleinhackte und in Scheiben -103—schnitt.
    Das Zimmer war kleiner als Chias Zimmer in Seattle, aber viel

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