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Idoru

Idoru

Titel: Idoru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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am Port.«
    »Ist sie da?« Chia stopfte das Ding in ihre Tasche.
    »Sie ist weggegangen«, sagte Masahiko. »Darf ich mir deinen Computer ansehen?«
    »Computer?« Chia stand verwirrt auf.
    »Das ist ein Sandbenders, ja?«
    Sie schenkte sich etwas von dem immer noch dampfenden Tee ein. »Klar. Willst du Tee?«
    »Nein«, sagte Masahiko. »Ich trinke nur Kaffee.« Er hockte sich neben dem niedrigen Tisch auf die Tatami und fuhr mit -143—einer Fingerspitze bewundernd über das gegossene Aluminiumgehäuse des Sandbenders. »Schön. Ich habe einen kleinen Disk-Player vom selben Hersteller gesehen. Es ist ein Kult, ja?«
    »Eine Kommune. Indianer. In Oregon.«
    Die schwarzen Haare des Jungen waren lang, glänzend und glattgekämmt, aber Chia sah, daß eine Ramen-Nudel drinhing, eine dieser dünnen, wenigen Dinger, wie man sie in asiatischen Nudel-Fertiggerichten fand.
    »Tut mir leid, daß ich noch am Port war, als Mitsuko zurückgekommen ist. Sie wird mich für unhöflich halten.«
    »Du bist aus Seattle.« Keine Frage.
    »Bist du ihr Bruder?«
    »Ja. Warum bist du hier?« Seine Augen groß und dunkel, sein Gesicht lang und blaß.
    »Deine Schwester und ich sind Lo/Rez-Fans.«
    »Bist du gekommen, weil er Rei Toei heiraten will?«
    Heißer Tee lief Chia übers Kinn. »Hat sie dir das erzählt?«
    »Ja«, sagte Masahiko. »Ein paar Leute in der Ummauerten Stadt haben an ihrem Design gearbeitet.« Er war völlig in die Betrachtung ihres Sandbenders versunken, drehte ihn in den Händen hin und her. Seine Finger waren lang und blaß, die Nägel völlig abgekaut.
    »Wo ist das?«
    »Im Netz«, sagte er und warf das Gewicht seiner Haare über eine Schulter nach hinten.
    »Was sagen die über sie?«
    »Originelles Konzept. Beinahe radikal.« Er streichelte die Tasten. »Das ist sehr schön …«
    »Hast du hier Englisch gelernt?«
    »In der Ummauerten Stadt.«
    -144—
    Chia versuchte noch mal, einen Schluck Tee zu trinken, und stellte die Tasse dann ab. »Hast du Kaffee?«
    »In meinem Zimmer«, sagte er.
    Masahikos Zimmer, am Fußende einer kurzen Betontreppe hinter der Küche des Restaurants gelegen, war früher wahrscheinlich ein Vorratsraum gewesen. Es war ein Jungen-Alptraum, eine Umgebung, wie Chia sie von den Brüdern von Freundinnen kannte: Der Boden und das bordartige Bett waren längst unter ungewaschenen Klamotten, Ramen-Packungen und japanischen Zeitschriften mit zerknitterten Umschlägen verschwunden. In einer Ecke ein Turm leerer Ramen-Schaumstoffschüsseln, deren Hologramm-Etiketten hinter einem einzelnen Halogenkegel aufblinkten. Ein Schreibtisch oder Tisch aus einem recycelten Material, das aussah, als wäre es aus geschredderten Tetra-Paks laminiert, bildete ein zweites, höheres Bord. Darauf sein Computer, ein schwarzer Würfel ohne charakteristische Merkmale. Auf einer niedrigeren Ablage aus dem Tetra-Pak-Material standen eine blaßblaue Mikrowelle, ungeöffnete Ramen-Schüsseln und ein halbes Dutzend winziger Kaffeedosen aus Stahl.
    Eine von ihnen war gerade aus der Mikrowelle gekommen und lag nun heiß in Chias Hand. Der Kaffee war stark, mit Zucker und viel Sahne. Sie saß neben Masahiko auf der hubbeligen Bettkante, mit einer zusammengerollten, gepolsterten Jacke als Kissen im Rücken.
    Es roch schwach nach Junge, nach Ramen-Nudeln und nach Kaffee. Jetzt, wo sie ihm so nahe war, wirkte er jedoch sehr sauber, und ihr ging vage durch den Kopf, daß Japaner generell sauber waren. Badeten sie nicht gern? Der Gedanke rief in ihr den Wunsch nach einer Dusche wach.
    »Er gefällt mir sehr.« Er streckte wieder die Hand aus und berührte den Sandbenders, den er von oben mitgebracht und – ein Gewirr von Plastiklöffeln, Stiften und obskuren Metall-und -145—Plastikteilen beiseite wischend – vor seinen schwarzen Würfel auf die Arbeitsfläche gestellt hatte.
    »Wie machst du den an?« Mit der Mini-Kaffeedose in der Hand zeigte sie auf seinen Computer.
    Er sagte etwas auf Japanisch. Ein pulsierendes Gewimmel von Würmern und Punkten aus pastellfarbenem Neon erhellte die Würfelflächen und erlosch dann.
    Die Wände waren vom Fußboden bis zur Decke dick mit einander überlagernden Schichten von Postern, Handzetteln und Graphiken bedeckt. An der Wand direkt vor ihr, über und hinter dem schwarzen Computer, hing ein großes Tuch, ein Quadrat aus einem seidigen Material, das mit einer Landkarte oder einer schematischen Darstellung in Rot, Schwarz und Gelb bedruckt war. Hunderte von unregelmäßigen Blöcken

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