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Idoru

Idoru

Titel: Idoru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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oder Räumen, irgendwelche Einheiten, drängten sich um eine zentrale Leerstelle, ein unebenes, senkrechtes Rechteck, schwarz.
    Er folgte ihrem Blick. »Die Ummauerte Stadt«, sagte er und beugte sich vor. Seine Fingerspitze fand einen bestimmten Punkt. »Das ist meiner. Achte Ebene.«
    Chia zeigte aufs Zentrum der schematischen Darstellung.
    »Was ist das?«
    »Schwarzes Loch. Im Original eine Art Luftschacht.« Er sah sie an. »Tokio hat auch ein schwarzes Loch. Du hast es gesehen?«
    »Nein«, sagte sie.
    »Der Palast. Kein Licht. Von einem hohen Gebäude aus ist der kaiserliche Palast bei Nacht ein schwarzes Loch. Einmal habe ich ihn beobachtet und eine Fackel aufleuchten sehen.«
    »Was ist bei dem Erdbeben mit ihm passiert?«
    Er zog die Augenbrauen hoch. »Das wurde natürlich nicht gezeigt. Jetzt ist alles wie früher. Das versichert man uns.« Er -146—lächelte, aber nur mit den Mundwinkeln.
    »Wo ist Mitsuko hingegangen?«
    Er zuckte die Achseln.
    »Hat sie gesagt, wann sie zurückkommt?«
    »Nein.«
    Chia dachte an Hiromi Ogawa und dann daran, daß jemand Kelseys Vater angerufen hatte. Hiromi? Aber da war dieses Ding, was immer es sein mochte, oben in ihrer Tasche in Mitsukos Zimmer. Ihr fiel wieder ein, wie Maryalice hinter der Tür von Eddies Büro geschrien hatte. Zona mußte recht haben.
    »Kennst du einen Club namens ›Whiskey Clone‹?«
    »Nein.« Er streichelte die polierten Aluminiumränder ihres Sandbenders.
    »Und was ist mit ›Monkey Boxing‹?«
    Er sah sie an, schüttelte den Kopf. »Du kommst wohl nicht oft raus, wie?«
    Er hielt ihrem Blick stand. »In die Ummauerte Stadt.«
    »Ich will zu diesem Club, Monkey Boxing. Kann aber sein, daß er jetzt nicht mehr so heißt. Es ist ein Laden in Shinjuku.
    Ich war schon mal in dem Bahnhof dort.«
    »Clubs haben jetzt nicht geöffnet.«
    »Das ist schon okay. Ich will nur, daß du mir zeigst, wo er ist.
    Zurück finde ich dann schon allein.«
    »Nein. Ich muß wieder in die Ummauerte Stadt. Ich habe Verpflichtungen. Finde die Adresse dieses Ladens heraus, dann werde ich deinem Computer den Weg erklären.«
    Der Sandbenders konnte da selbst hinfinden, aber Chia hatte sich überlegt, daß sie nicht allein gehen wollte. Es war besser, mit einem Jungen dorthin zu gehen als mit Mitsuko, und Mitsukos Loyalität zu ihrer Ortsgruppe konnte ohnehin ein Problem sein. In erster Linie wollte sie aber weg von hier.
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    Zonas Nachricht hatte ihr Angst eingejagt. Irgendwer wußte, daß sie hier war. Und was sollte sie wegen des Dings in ihrer Tasche unternehmen?
    »Der gefällt dir, stimmt’s?« Sie zeigte auf ihren Sandbenders.
    »Ja«, sagte er.
    »Die Software ist noch besser. Ich hab einen Emulator drin, der installiert einen virtuellen Sandbenders in deinem Computer. Wenn du mich zum Monkey Boxing bringst, kriegst du den.«
    »Lebst du schon immer hier?« fragte Chia auf dem Weg zum Bahnhof. »In diesem Viertel, meine ich?«
    Masahiko zuckte die Achseln. Chia dachte, daß er sich auf der Straße unwohl fühlte. Vielleicht lag es einfach daran, daß er draußen war. Er hatte seine graue Trainingshose gegen eine genauso ausgebeulte schwarze Baumwollhose eingetauscht. An den Knöcheln schlossen sich schwarze Nylongamaschen mit Gummizug um die Hosenbeine. Darunter saßen schwarze Lederarbeitsschuhe. Er trug noch immer seinen schwarzen Kittel, dazu jedoch eine schwarze Ledermütze mit kurzem Schirm, die ihrer Ansicht nach einmal zu einer Schuluniform gehört hatte. Wenn ihm der Kittel zu groß war, dann war die Mütze zu klein. Er trug sie schräg nach vorn gekippt, so daß der Schirm tief in der Stirn saß. »Ich lebe in der Ummauerten Stadt«, antwortete er.
    »Mitsuko hat’s mir erzählt. Das ist so was wie eine Multi-User-Domäne.«
    »Die Ummauerte Stadt ist wie nichts sonst.«
    »Gib mir die Adresse, wenn ich dir den Emulator gebe. Ich schau’s mir mal an.« Der Bürgersteig wölbte sich über einen Betonkanal, der gräuliches Wasser führte. Er erinnerte sie an Venedig. Sie fragte sich, ob dort einmal ein Fluß gewesen war.
    »Sie hat keine Adresse«, sagte er.
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    »Das ist unmöglich«, sagte Chia.
    Er schwieg.
    Sie dachte daran, was sie gefunden hatte, als sie den Dutyfree-Beutel von SeaTac aufgemacht hatte. Etwas Flaches und Rechteckiges, dunkelgrau. Vielleicht aus einem dieser merkwürdigen Kunststoffe mit Metall drin. An einem Ende waren Reihen kleiner Löcher, am anderen komplizierte Formen aus Metall und einem anderen Kunststoff.

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