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Idoru

Idoru

Titel: Idoru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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und Maryalice auf der Suche nach ihr waren?
    Sie kamen an der Öffnung vorbei, in der das Auto verschwunden war. Sie schaute hinein und sah, daß es eine Art Tankstelle war. »Wo ist es?« fragte sie.
    »Wet Leaves Fortune«, sagte er und zeigte nach oben.
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    Hoch und schmal, mit den quadratischen Schildern, die an den Ecken sämtlicher Stockwerke hervorstanden, sah es ziemlich genauso aus wie alle anderen, aber sie glaubte, daß Eddies Gebäude größer gewesen war. »Wie kommen wir da rauf?«
    Er führte sie in eine Art Eingangshalle, eine Passage im Erdgeschoß, gesäumt von winzigen Läden, die eher Ständen glichen. Zu viele Lichter, Spiegel und Dinge, die zum Verkauf standen, alles verschwamm ineinander. Hinein in einen engen Fahrstuhl, in dem es nach abgestandenem Rauch stank. Er sagte etwas auf Japanisch, und die Tür schloß sich. Der Fahrstuhl sang ihnen ein kleines Lied zu klimpernder Musik.
    Masahiko machte ein genervtes Gesicht.
    Als im achten Stock die Tür aufging, stand ein staubbedeckter Mann mit einem schwarzen, über den Augen durchhängenden Stirnband davor. Er sah Chia an. »Wenn du die von der Illustrierten bist«, sagte er, »dann kommst du drei Tage zu früh.« Er nahm das Stirnband ab und wischte sich damit das Gesicht. Chia konnte nicht sagen, ob er Japaner war oder nicht oder wie alt er sein mochte. Seine braunen Augen unter den dicken Brauen waren auf spektakuläre Weise blutunterlaufen, und in seinem schwarzen, straff zurückgekämmten und von dem Band gehaltenen Haar zeigten sich graue Strähnen.
    Hinter ihm herrschte ein wüstes Durcheinander, man hörte pausenloses Gehämmer und Männer, die auf Japanisch brüllten. Jemand schob einen orangefarbenen Plastikkarren mit hohen Seitenwänden voller zusammengeknickter Kabel mit Putzflecken und Plastikscherben mit Blattgold und Chinesischrot. Ein Stück einer herunterhängenden Decke löste sich mit dem Geräusch reißender Kabel und krachte zu Boden.
    Weiteres Geschrei.
    »Ich suche das Monkey Boxing«, sagte Chia.
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    »Da bist du ein bißchen spät dran, Darling.« Er trug einen schwarzen Papieroverall, dessen Ärmel an den Ellbogen abgerissen waren und den Blick auf Arme freigaben, die von hingeklecksten blauen Linien und Kreisen überzogen waren, eine Art Körperschmuck im Ethno-Stil. Er wischte sich über die Augen und sah sie blinzelnd an. »Du bist nicht von der Illustrierten in London?«
    »Nein«, sagte Chia.
    »Nein«, pflichtete er ihr bei, »du kommst mir ein bißchen zu jung vor, sogar für die.«
    »Ist das hier das Monkey Boxing?«
    Ein weiterer Deckenabschnitt kam herunter. Der staubige Mann blinzelte sie an. »Was hast du gesagt, woher du kommst?«
    »Aus Seattle.«
    »Du hast in Seattle vom Monkey Boxing gehört?«
    »Ja …«
    Er lächelte matt. »Ist ja toll: Sie hat in Seattle davon gehört … Bist du auch in der Clubszene, Schätzchen?«
    »Ich bin Chia McKenzie …«
    »Jun. Ich heiße Jun, Schätzchen. Besitzer, Designer, DJ. Aber du kommst zu spät. Tut mir leid. Alles, was vom Monkey Boxing noch übrig ist, wird gerade in diesen Gomi-Karren rausgebracht. Ist jetzt Müll. Wie jeder andere zerbrochene Traum. Lief gar nicht schlecht, solange es lief, fast ein Vierteljahr lang. Hast du von unserem Shaolin-Tempel-Thema gehört? Von der ganzen Kriegermönch-Nummer?« Er seufzte übertrieben. »Es war himmlisch. Vom ersten bis zum letzten Moment. Die Barmänner aus Okinawa haben sich nach den ersten drei Nächten die Köpfe rasiert und angefangen, die orangefarbenen Gewänder zu tragen. Ich hab mich in der Kabine selbst übertroffen. Es war eine Vision, verstehst du?
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    Aber so ist das eben in dieser fließenden Welt, nicht? Wir sind nun mal im Wassergewerbe, wie man hier sagt, und man bemüht sich, es philosophisch zu sehen. Aber wer ist dein Freund hier? Hat scharfe Haare …«
    »Masahiko Mimura«, sagte Chia.
    »Ich steh auf diese schwuchtelig-schräge
    Schlafzimmernummer in Schwarz«, sagte der Mann. »Mishima und die Dietrich auf ein und derselben Muschelschale, wenn man’s richtig anstellt.«
    Masahiko runzelte die Stirn.
    »Was machen Sie denn nun«, fragte Chia, »wenn es das Monkey Boxing nicht mehr gibt?«
    Jun legte sich das Stirnband wieder um. Er sah nicht mehr so erfreut aus. »Einen neuen Club, aber das Design ist nicht mehr von mir. Es wird heißen, ich hätte mich verkauft. Hab ich wohl auch. Ich werde den Laden trotzdem managen, sehr nettes Gehalt und ein Apartment dazu, aber das

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