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Idoru

Idoru

Titel: Idoru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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bestimmt später. Kommen Sie, gehen wir ein bißchen raus und was trinken. Ich werd versuchen, Ihnen zu erzählen, was ich über die Sache weiß.«
    »Wenn Sie wollen«, sagte Laney.
    »Dafür werd ich bezahlt«, meinte sie und stand auf. »Und es ist wahrscheinlich besser, als große High-end-Elektronikteile Rolltreppen rauf und runter zu befördern.«
    -160-

20 Monkey Boxing
    Z wischen den Stationen war ein graues Vibrieren jenseits der Fenster des lautlosen Zuges. Nicht wie von vorbeisausenden Flächen, sondern als ob dort eine korpuskulare Materie kurz vor dem Hervortreten einer neuen Seinsordnung in kritische Schwingungen versetzt würde.
    Chia und Masahiko hatten zwischen einem Schulmädchentrio in buntkarierten Röcken und einem Geschäftsmann, der einen dicken japanischen Comic las, zwei Plätze gefunden. Auf dem Cover des Comics war eine Frau zu sehen, deren Brüste so umwickelt waren, daß sie kegelförmigen Garnknäueln ähnelten und die Warzen wie die hervorquellenden Augen eines Comic-Opfers vorstanden – Chia fiel auf, daß der Zeichner wesentlich mehr Zeit auf das Garn verwendet hatte, wie es genau gewickelt und geknotet war, als auf die Brüste selbst. Der Frau lief Schweiß übers Gesicht, und sie versuchte, vor jemandem oder etwas zurückzuweichen, das vom Rand des Covers abgeschnitten wurde.
    Masahiko machte die obersten beiden Knöpfe seines Kittels auf und zog ein schwarzes, festes Quadrat mit einer Kantenlänge von fünfzehn Zentimetern hervor, nicht dicker als eine Glasscheibe. Er strich zielbewußt mit den Fingern der rechten Hand darüber, und bei seiner Berührung erschienen perlschnurförmige, bunte Lichter. Obwohl sie hier schwächer waren, ausgewaschen vom richtungslosen Neonlicht des Zuges, erkannte Chia das Quadrat wieder: Es war die Bedienungsfläche des Computers, den sie in seinem Zimmer gesehen hatte.
    Er betrachtete das Display, strich erneut darüber und runzelte angesichts des Ergebnisses die Stirn. »Jemand interessiert sich -161—
    für meine Adresse«, sagte er, »und für die von Mitsuko …«
    »Das Restaurant?«
    »Unsere User-Adressen.«
    »Welche Art von Interesse?«
    »Ich weiß nicht. Wir sind nicht miteinander verbunden.«
    - Außer durch mich.
    »Erzähl mir von Sandbenders«, sagte Masahiko, steckte die Bedienungsfläche weg und knöpfte den Kittel wieder zu.
    »Angefangen hat es mit einer Interface-Designerin«, sagte Chia, froh über den Themenwechsel. »Ihr Mann war Juwelier, er ist an so einer Nervenkrankheit gestorben, bevor sie rausgefunden hatten, wie man das heilen kann. Aber er war auch ein echter Grüner, und es ist ihm gegen den Strich gegangen, wie elektronische Geräte hergestellt wurden, ein paar kleine Chips und Schaltkarten in diesen Kunststoffkästen.
    Er hat gesagt, die Kästen seien nur ein Kaufanreiz fürs Auge und dazu gemacht, irgendwann im Müll zu landen, wenn keiner sie recyceln würde, und für gewöhnlich hat das auch keiner getan. Bevor er krank wurde, hat er also immer ihre Hardware – die der Designerin – auseinandergenommen und die wichtigen Teile in Gehäuse gepackt, die er in seinem Geschäft angefertigt hat. Für einen Minidisk-Player hat er zum Beispiel ein Gehäuse aus massiver Bronze mit Ebenholz-Intarsien gemacht und die Bedienungsfelder aus fossilem Elfenbein, Türkis und Bergkristall hergestellt. Das Ding war schwerer, klar, aber wie sich gezeigt hat, fanden viele Leute das gut, als wären ihre Musik, ihre Erinnerungen oder was auch immer in was drin, was sich anfühlte, als wäre es wirklich vorhanden … Und die Leute faßten die ganzen Materialien auch gern an: Metall, einen glatten Stein … Und wenn man das Gehäuse erst mal hatte und der Hersteller dann ein neues Modell rausbrachte, also, wenn die Elektronik besser war, dann hat man den alten Kram einfach rausgerupft und den neuen -162—
    reingesetzt. Dann hatte man noch das gleiche Objekt, nur mit besseren Funktionen.«
    Masahikos Augen waren geschlossen, und er schien leicht zu nicken, obwohl das vielleicht nur von der Bewegung des Zuges herrührte.
    »Und es hat sich gezeigt, daß einige Leute auch das gut fanden, und zwar sogar sehr gut. Er hat Aufträge bekommen, diese Dinger zu bauen. Eins der ersten war eine Tastatur, und die Tasten waren aus den Tasten eines alten Klaviers geschnitzt, die Zahlen und Buchstaben aus Silber. Aber dann ist er krank geworden …«
    Masahiko schlug die Augen auf, und sie sah, daß er nicht nur zugehört hatte, sondern auch

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