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Idoru

Idoru

Titel: Idoru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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›steht über‹ ihnen. Um Geld zu erpressen.«
    »Was heißt das?«
    »Er foltert sie, bis sie ihm sagen, wo ihr Geld ist. Und das sind oft gestandene Gangster, die Leute bezahlen, um auf sie -178—
    aufzupassen und speziell so was zu verhindern …«
    »Er foltert sie?«
    »›Zehenabschneider‹ ist ein verwandter Begriff. Wenn sie ihm sagen, was er wissen will, bringt er sie um.«
    Und Blackwell war plötzlich und lautlos einfach da, ganz in mattem Schwarz, in einem riesigen Viehtreibermantel aus gewachster Baumwolle. Hinter ihm die verschossene amerikanische Reklame und die Grau-und Pinktöne des Kaugummis. Seine zernarbte Kopfhaut war unter der Krone eines breiten schwarzen Huts aus gewachster Baumwolle verborgen.
    »Arleigh, mein Schatz, du hast doch nicht etwa von mir geredet, oder?«
    Aber er lächelte sie an.
    »Ich schildere Mr. Laney dein Vorleben, Blackwell. Ich war gerade erst beim Massagesalon angekommen, und jetzt hast du’s verdorben.«
    »Mach dir nichts draus. Das Essen ist vorgezogen worden, auf Anordnung seiner Majestät. Ich bin hier, um euch abzuholen. Findet auch woanders statt. Hoffe, ihr habt nichts dagegen.«
    »Wo?« fragte Arleigh, als wäre sie noch nicht bereit, sich in Bewegung zu setzen.
    »Im Western World«, sagte Blackwell.
    »Und ich hab meine guten Schuhe an«, seufzte sie.
    -179-

22 Gomi Boy
    D ie Züge waren jetzt voller, es gab nur noch Stehplätze, die Menschen standen dichtgedrängt, und irgendwie waren die Blickkontaktregeln hier anders, aber sie wußte nicht so recht, wie. Ihre Tasche mit dem Sandbenders war gegen Masahikos Rücken gedrückt. Er schaute wieder auf die Bedienungsfläche, die er hochhielt wie ein Pendler eine taktisch klug gefaltete Zeitung.
    Nun ging es zurück zum Restaurant von Mitsukos Vater, und dann war sie mit ihrem Latein am Ende. Was sie getan hatte, hatte sie gegen Hiromis Willen getan. Und es hatte ihr nichts weiter eingebracht als den irgendwie unangenehmen Gedanken, daß Rez langweilig sein könnte. Und was hatte sie nun davon? Die Hinfahrt und jetzt auch die Rückfahrt hatte sie mit Kelseys Cashcard bezahlt. Und Zona hatte gesagt, jemand suche nach ihr; sie könnten sie aufspüren, wenn sie die Cashcard benutzte. Vielleicht gab es eine Möglichkeit, sie zu Bargeld zu machen, aber sie bezweifelte es.
    Nichts von alledem war so gelaufen, wie sie es sich in Seattle vorgestellt hatte, aber man konnte ja wohl auch nicht von einem erwarten, sich jemanden wie Maryalice vorzustellen.
    Oder wie Eddie oder gar Hiromi.
    Masahiko schaute stirnrunzelnd auf die Bedienungsfläche.
    Chia sah, wie sich die Punkte und Kringel änderten.
    Dieses Ding, das Maryalice ihr in die Tasche gesteckt hatte.
    Hier, direkt unter ihrem Arm. Sie hätte es bei Mitsuko lassen sollen. Oder wegwerfen, aber was sollte sie dann sagen, wenn Eddie oder Maryalice auftauchten? Und wenn es nun voller Drogen war?
    -180—
    In Singapur wurde man dafür gehängt, und zwar mitten im Einkaufszentrum. Ihrem Vater gefiel das nicht, und er sagte, das sei einer der Gründe, weshalb er sie noch nie dorthin eingeladen habe. Sie brachten es auch im Fernsehen, so daß man wirklich kaum drum herumkam, es zu sehen, und er wollte nicht, daß sie es sah. Jetzt fragte sie sich, wie weit Singapur von Tokio entfernt war. Sie wünschte, sie könnte dorthin fahren und die Augen geschlossen halten, bis sie in der Wohnung ihres Vaters war, und dann den Fernseher aus lassen und einfach nur bei ihm sein, seinen Rasiergeruch riechen und das Gesicht an sein kratziges Wollhemd drücken, obwohl er in Singapur vermutlich keins trug, weil es dort sehr warm war.
    Sie würde die Augen trotzdem geschlossen lassen und ihm zuhören, wie er von seiner Arbeit erzählte, von den Arbitrage-Maschinen, die wie unsichtbare Drachen zwischen den Weltmärkten hin und her sausten, schnell wie das Licht, und dabei geringfügige Vorteile für Händler wie ihren Vater abhobelten …
    Masahiko drehte sich um und stieß dabei versehentlich ihre Tasche beiseite, als der Zug in einem Bahnhof hielt – nicht ihrem. Eine Frau mit einer gelben Einkaufstüte sagte etwas auf Japanisch. Masahiko packte Chia am Handgelenk und zog sie zur offenen Tür. »Das ist doch noch gar nicht unsere Station …«
    »Komm! Komm!« Hinaus auf den Bahnsteig. Ein anderer Geruch, chemisch und scharf. Die Wände irgendwie weniger sauber. Eine gebrochene Fliese in der Keramikdecke.
    »Was ist denn los? Warum steigen wir aus?« Er zog sie in die Ecke, die von der

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