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Idoru

Idoru

Titel: Idoru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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stellte sich eine Art Wildschwein mit Stacheln und hochgebogenen Hauern vor, wie sie es im Nature Channel gesehen hatte.
    Gomi Boy sog an seiner Zigarette, so daß die Spitze aufglühte. Er blinzelte Masahiko durch den Rauch hindurch an und sagte etwas. Masahiko zuckte die Achseln. Eine frische Minidose Mikrowellen-Espresso stand vor ihm, und Chia trank eine weitere Coke Lite. In Tokio durfte man sich nirgends hinsetzen, wenn man nichts bestellte, und ein Getränk ging schneller als was zu essen. Und es kostete weniger. Aber sie bezahlte ja nicht. Gomi Boy bezahlte, weil er und Masahiko nicht wollten, daß sie Kelseys Cashcard benutzte.
    Gomi Boy sagte wieder etwas. »Er wünscht mit dir zu sprechen«, erklärte Masahiko.
    -184—
    Chia bückte sich, machte den Reißverschluß ihrer Tasche auf und suchte die Ohrclips. Sie hatte nur die beiden, also gab sie einen Gomi Boy, setzte den anderen selbst auf und schaltete ein. Er setzte seinen auf. »Ich bin aus der Ummauerten Stadt«, sagte er. »Verstehst du?«
    »Eine MUD, stimmt’s? Eine Multi-User-Domäne.«
    »Nicht in dem Sinn, wie du es meinst, aber so in etwa, ja.
    Warum bist du in Tokio?«
    »Um Informationen über Rez’ Plan zu sammeln, die Idoru zu heiraten, Rei Toei.«
    Gomi Boy nickte. Ein Otaku zu sein bedeutete, großes Interesse an Informationen zu haben; er verstand, was es hieß, Fan zu sein. »Hast du etwas mit dem Kombinat zu tun?«
    »Nein«, sagte Chia. Was sollte sie mit der Mafia-Regierung in Rußland zu tun haben?
    »Und du bist bei Masahiko, weil …?«
    »… Mitsuko die Veranstaltungsorganisatorin der Ortsgruppe Tokio des Lo/Rez-Vereins ist, dem ich in Seattle angehöre.«
    »Wie oft bist du im Restaurant an den Port gegangen?«
    »Dreimal.« Das Silke-Marie-Kolb-Outfit. Das Treffen. Zona Rosa. »Ich hab für Präsentationssoftware bezahlt, Mitsuko und ich haben an dem Treffen teilgenommen, und ich hab ein Link nach Hause gehabt.«
    »Hast du die Software mit deiner Cashcard bezahlt?«
    »Ja.« Sie schaute von Gomi Boy zu Masahiko. Zwischen und hinter ihnen der Regen. Die unaufhörliche, ratternde Kaskade der kleinen Silberkugeln hinter der Scheibe auf der anderen Straßenseite. Spieler kauerten dort auf integrierten Hockern und manipulierten die Metallflut. Mastahikos Miene verriet ihr überhaupt nichts.
    »Masahikos Computer erhält gewisse Aspekte der Ummauerten Stadt aufrecht«, sagte Gomi Boy. »Es gab Pläne -185—dafür, ihn im Notfall in Sicherheit zu bringen. Als sich herausstellte, daß sowohl Masahikos User-Adresse als auch der seiner Schwester ungewöhnliche Aufmerksamkeit zuteil wurde, bin ich geschickt worden, um sein Gerät in Verwahrung zu nehmen. Wir tauschen häufig Hardware. Ich handle mit Second-Hand-Geräten. Deshalb nennt man mich Gomi Boy.
    Ich habe Schlüssel zu Masahikos Zimmer. Sein Vater weiß, daß ich hinein darf. Es stört ihn nicht. Ich bin hingegangen und habe den Computer mitgenommen. In der Nähe ist ein kleiner städtischer Erholungspark. Von dort aus hat man einen Blick auf das Restaurant. Als ich die Oakland Overbombers gesehen habe, bin ich über die Straße gegangen und habe mit ihnen gesprochen.«
    »Als du was gesehen hast?«
    »Eine Skateboard-Gruppe. Sie haben sich nach dem kalifornischen Fußballverein benannt. Ich habe sie gefragt, ob etwas Ungewöhnliches passiert sei. Sie erzählten mir, sie hätten vor einer Stunde ein sehr großes Fahrzeug gesehen …«
    - Einen Graceland.
    »Einen Daihatsu Graceland. Hier gibt es nicht so viele wie in Amerika, glaube ich.«
    Chia nickte. Ihr Magen machte wieder den kalten Salto. Ihr war, als müßte sie sich gleich übergeben.
    Gomi Boy beugte sich mit seiner mittlerweile kurzen Zigarette zur Seite und zerdrückte die Spitze in einer kleinen Chromschale, die an der Seite einer Spielkonsole angebracht war. Chia fragte sich, wofür sie normalerweise benutzt wurde und warum er das tat, aber vermutlich mußte er die Zigarette irgendwohin tun, sonst würde sie ihm die Finger verbrennen.
    »Der Graceland hat in der Nähe des Restaurants geparkt. Zwei Männer sind ausgestiegen …«
    »Wie haben sie ausgesehen?«
    »Wie Gumi-Leute.«
    -186-
    »Japaner?«
    »Ja. Sie sind ins Restaurant gegangen. Der Graceland hat gewartet. Nach einer Viertelstunde sind sie zurückgekommen, in den Graceland eingestiegen und abgefahren. Dann ist Masahikos Vater erschienen. Er hat in alle Richtungen geschaut und die Straße beobachtet. Er hat das Telefon aus seiner Tasche gezogen und mit

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