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Idoru

Idoru

Titel: Idoru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Fledermaus. Phantastisch.« Er machte die Augen auf. »Er konnte sein unmittelbares Umgebung sehr detailliert wahrnehmen. Im Verkehr Fahrrad fahren. Immer mit diese tik, tik. Er hatte diese Fähigkeit, sie war absolut echt. Und er konnte es nicht erklären, es keinem anderen beibringen …« Er schlang seine langen Finger ineinander und knackte mit den Knöcheln. »Wir können nur hoffen, daß es bei Ihnen nicht so ist.«
     
    Denk nicht an eine violette Kuh. Oder war es eine braune?
    Laney wußte es nicht mehr. Schau der Idoru nicht ins Gesicht.
    Sie ist kein Fleisch; sie ist Information. Sie ist die Spitze eines Eisbergs, nein, einer Antarktis von Informationen. Ein Blick in ihr Gesicht, und es würde von neuem losgehen: Sie war eine unvorstellbare Informationsmenge. Sie löste die nodale Sicht auf eine noch nie dagewesene Weise aus, nämlich in Form einer Erzählung.
    Er konnte ihre Hände anschauen. Zusehen, wie sie aß.
    Das Essen war üppig, viele kleine Gänge, die jeweils auf rechteckigen Tellern serviert wurden. Jedesmal, wenn ein -208—
    Teller vor Rei Toei hingestellt wurde – und immer in das Feld ihrer Projektionsquelle hinein –, wurde er im selben Moment von einer makellosen Kopie überdeckt, Holo-Essen auf einem Holo-Teller.
    Selbst die Bewegung ihrer Stäbchen rief ein peripheres Flimmern nodaler Vision hervor. Weil die Stäbchen ebenfalls Information waren, wenn auch nicht annähernd so dicht wie ihre Gesichtszüge, ihr Blick. Jedesmal, wenn ein ›leerer‹ Teller weggeräumt wurde, erschien wieder das unberührte Gericht.
    Aber wenn das Flackern begann, konzentrierte Laney sich auf sein eigenes Essen, seine Ungeschicklichkeit mit den Stäbchen, die Unterhaltung am Tisch. Kuwayama, der Mann mit der randlosen Brille, antwortete gerade auf eine Frage von Rez, die Laney nicht mitbekommen hatte, »… das Produkt eines Systems hochentwickelter Konstruktionen, die wir ›Wunschmaschinen‹ nennen.« Rez’ grüne Augen, strahlend und aufmerksam. »Nicht im wörtlichen Sinn«, fuhr Kuwayama fort, »aber stellen Sie sich bitte Aggregate subjektiven Begehrens vor. Man kam zu dem Schluß, daß dieses modulare System im Idealfall ein architektonisches Gebilde artikulierter Sehnsucht darstellen würde …« Die Stimme des Mannes war wunderschön moduliert, und sein Englisch hatte einen Akzent, den Laney nicht zuordnen konnte.
    Dann lächelte Rez, und sein Blick wanderte zum Gesicht der Idoru. Der von Laney auch, ganz automatisch.
    Er fiel durch ihre Augen. Schaute zu einer hoch anfragenden Steilwand hinauf, die vollständig aus kleinen, rechteckigen, vertikal und horizontal gegeneinander versetzten Baikonen zu bestehen schien. Orangefarbener Sonnenuntergang in einem gekippten Fenster mit Stahlrahmen. Ölteppichfarben zerflossen am Himmel.
    Er schloß die Augen, schaute nach unten, machte sie wieder auf. Ein neuer Teller, noch mehr zu essen.
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    »Sie gehen ja völlig in Ihrem Essen auf«, sagte Arleigh.
    Eine konzentrierte Anstrengung mit den Stäbchen, und es gelang ihm, etwas zu fassen zu bekommen und sich zu Gemüte zu führen, was einem Würfel kalten Chutney-Omeletts mit einer Kantenlänge von zweieinhalb Zentimetern ähnelte.
    »Schmeckt prima. Aber dieser Fugu kann mir gestohlen bleiben. Dieser Kugelfisch mit den Nervengiften. Schon mal davon gehört?«
    »Davon hatten Sie schon ’nen Nachschlag«, sagte sie.
    »Erinnern Sie sich an den großen Teller mit rohem Fisch, der wie die Blütenblätter einer Chrysantheme arrangiert war?«
    »Sie machen Witze«, sagte Laney.
    »So ein leicht taubes Gefühl auf Lippen und Zunge? Das war er.«
    Laney fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. War es ein Witz? Yamasaki, der links von ihm saß, beugte sich zu ihm heran. »Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, Ihr Problem mit Rez’ Daten zu umgehen. Wissen Sie über globale Fan-Aktivität von Lo/Rez Bescheid?«
    »Worüber?«
    »Viele Fans. Sie berichten darüber, wenn sie Rez, Lo oder andere beteiligte Musiker sehen. Es gibt viele nebensächliche Details.«
    Laney wußte von seinem filmischen Bildungspensum dieses Tages her, daß Lo/Rez theoretisch ein Duo waren, daß es jedoch immer zumindest zwei weitere ›Mitglieder‹ gab, für gewöhnlich noch mehr. Und Rez war von Anfang an hart geblieben, was seine Abneigung gegen Schlagzeugmaschinen betraf; der gegenwärtige Drummer, ›Blind‹ Willy Jude, der Yamasaki gegenübersaß, war seit Jahren dabei. Er hatte seine riesige schwarze Brille während des

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