Ifenfeuer: Allgäu-Krimi (German Edition)
einige Informationen aus dem Internet geholt und erzählte nun Berger, der mit dem Hölloch dienstlich nichts zu tun hatte, da es auf deutschem Boden lag, alles, was er herausgefunden hatte. »Das Mahdtal gehört geologisch wie das Gottesackerplateau zur Helvetischen Kreide. Durch ewige Wassererosion hat sich hier ein Durchbruch durch das Gestein gebildet, der sich zu diesem Schacht erweitert hat. Er ist rund sechsundsiebzig Meter tief, biegt aber nach Zweidritteln der Länge etwas aus, so dass man nicht bis auf den Grund sehen kann. Aber hör mal! Man kann deutlich den Höllochbach da unten rauschen hören. Über zehntausendsiebenhundert Meter der Höhle sind bisher vermessen worden, und noch immer ist das Ende nicht erreicht. Es ist höchst gefährlich, in das Höhlensystem einzudringen, da einige Syphone zu durchtauchen sind. Wenn draußen ein Gewitter einen plötzlichen Regenguss herunterprasseln lässt, schwillt der Bach in kürzester Zeit an, so dass absolute Lebensgefahr für die Höhlenforscher besteht. Im Winter ist dieser Schacht stark vereist, wobei das Eis bis zum Schachtboden reicht. Die Wände sind auch in der eisfreien Zeit glatt. Also bitte nicht hineinfallen! Ein zweites Mal den Klebeanker zu erwischen wäre wie ein Sechser im Lotto. Dass die Frau dort hängen geblieben ist, grenzt an ein Wunder! Genützt hat es ihr freilich nichts, und ich glaub auch nicht, dass man so einen Sturz bis zum Anker überleben würde.«
Berger war zwei Schritte zurückgetreten. »Komm weg dort«, sagte er heiser, »und lass uns überlegen, wie wir hier genau vorgehen.«
Sie gingen zum Weg zurück, der nur wenige Meter am Hölloch vorbeiführte. Dann beschlossen sie eine Suchrunde um das Hölloch, um nach Gegenständen Ausschau zu halten, die einen Zusammenhang mit dem Geschehen haben konnten. Sie begannen an der Stelle, wo Wanner das Papiertaschentuch gefunden hatte. Tatsächlich konnte man von dort das Hölloch sehr genau einsehen, das etwa vierzig Meter unterhalb lag. Wenn sich dort jemand aufhielt, konnte man ihn genau sehen. Nach der DNA zu schließen, die man auf dem Hals der Toten, unter ihren Fingernägeln und in dem gefundenen Taschentuch nachweisen konnte, musste diese Person auch hier oben gestanden haben. Wahrscheinlich hatte sie die Frau erwartet, vielleicht sogar gut gekannt. Alles nur Vermutungen bisher, wenn auch logische. Dann muss der Täter oder die Täterin zum Hölloch hinabgestiegen sein, wo es zu einer Auseinandersetzung gekommen war, in deren Verlauf die Frau ins Hölloch gestürzt war. Es ließ sich jedoch nicht feststellen, ob durch eigene oder fremde Schuld, also aus Versehen oder mit Absicht gestoßen. Noch war ein Mord nicht direkt nachweisbar, es könnte sich auch um fahrlässige Tötung handeln.
»Was hältst du von der Sache?«, fragte Wanner seinen Kollegen, als sie die Suche schließlich ergebnislos abgebrochen hatten.
»Also, i mein, dass die Frau ned von selber da reing’fallen isch, sondern von jemand gestoßen wurde. Des kann natürlich auch eine Frau gewesen sein, so groß war die Kraftanstrengung ja ned, wenn sie nahe genug am Loch g’standen haben. Vielleicht haben sie sich auch g’stritten und sind dem Loch dabei zu nahe kommen. Warum soll dafür nur ein Mann in Frage kommen?«
»Ja, genau! Ähnliches ist mir vorhin auch durch den Kopf gegangen. Wir müssen also auch eine Frau in Betracht ziehen. Wenn wir doch bloß endlich wüssten, wer die Tote ist! Es ist zum …«
»Genau! Des hab i mir auch gedacht«, fiel ihm Berger schnell ins Wort. »Morgen sollten erste Hinweise auf das Bild in der Zeitung kommen, wenn überhaupt was kommt.«
Wanner nickte leicht deprimiert vor sich hin. Dass aber auch niemand diese Frau zu vermissen schien!
»Und wenn jemand zum Beispiel gar ned will, dass diese Frau erkannt oder gefunden wird? Soll doch auch vorkommen. Da hocken irgendwo Leute, die sie sehr wohl kennen, aber des aus irgendeinem Grund ned zugeben wollen. Was hältst da davon?«
Paul Wanner sah Florian erstaunt an. »Herrgott, du hast vielleicht Ideen! Und zwar durchaus richtige! Jawohl. Und denken wir gleich weiter: Womöglich hatte die Frau gar keine Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland, stammt aus Polen, Serbien, Lettland …«
Berger sah ihn misstrauisch an. Wurde er schon wieder auf den Arm genommen? Aber Wanner stand da und schaute mit unschuldiger Miene den Berg hinauf.
»Wenn du mich verarschen willst, dann identifizier deine Tote selber!«, erwiderte er ein
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