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Ihr Kriegt Mich Nicht!

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Titel: Ihr Kriegt Mich Nicht! Kostenlos Bücher Online Lesen
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anderen Ufer kann man uns vor dem Wald nicht sehen.«
    Pi schwenkte das Fernglas wieder über die Ufer. Sie konnte nichts Bedrohliches erkennen, senkte das Fernglas und sagte: »Okay. Jetzt sind wir auf der Flucht.«
    »Mik ist sowieso schon auf der Flucht«, sagte Oskar. »Jetzt flieht er auf der Flucht noch mal.«
    »Hör auf!«, sagte Pi.
    »Der Doppelausreißer«, sagte Oskar und lachte über seinen eigenen Witz.
    »Das Doppelgenie«, sagte Filip.
    Stunden vergingen, und sie hatten das Gefühl, sich nicht vom Fleck zu bewegen. Der Wald stand dumpf und finster mit uralten knorrigen Bäumen. Die Äste hingen übers Wasser, als versuchten sie, das Floß einzufangen. Und weiter hinten im Dunkeln ließ sich ein Wirrwarr aus abgestorbenen Stämmen und umgekippten Wurzelstöcken erahnen, die an lauernde Riesenspinnen erinnerten.
    »Ich kann nicht mehr«, wimmerte Filip.
    »Weiterpaddeln!«, sagte Pi.
    Filip sah seine Hände an.
    »Ich hab Blasen, und meine Schulter ist ausgekugelt.«
    »Das wird nachher besser«, sagte Pi. »Wenn wir den Fluss erreicht haben, brauchen wir uns bloß treiben zu lassen und zu steuern.«
    Aber Filip quengelte weiter: »Und wohin wollen wir eigentlich?«
    »Nach China«, sagte Oskar grinsend.
    »Wir fliehen vor etwas«, erklärte Pi. »Und nicht irgendwohin. Was passiert, passiert.«
    »Und was wird passieren?«, fragte Oskar.
    »Dass wir in den Älgstromschnellen umkommen«, sagte Filip.
    »Ich will aber nicht sterben«, sagte Oskar.
    Pi wurde gereizt.
    »Ihr seid echt feige Jammerlappen!«
    »Ich bin feige?«, schrie Filip, ließ das Paddel los und ballte die Fäuste.
    »Ja«, sagte Pi. »Du hast dich ja nicht mal getraut, Marias Katze zurückzubringen.«
    »Hört auf!«, sagte Mik. »Ihr könnt mich an Land absetzen, dann geh ich alleine weiter.«
    »Und wohin?«, fragte Oskar.
    »Irgendwohin.«
    Für sie war es ein Spiel. Aber für ihn war es kein Spiel. Der Unterschied war riesig, war unendlich, und dagegen ließ sich nichts machen. Nur er hatte den Paragrafen auf den Fersen. Pi, Filip und Oskar konnten, wenn sie das Spiel satt hatten, in ihre Betten kriechen und nach warmer Milch rufen. Er verstand sie, keiner von ihnen war feige. Mut war etwas, das man der Bedrohung entgegensetzen musste. Sich ohne Bedrohung der Gefahr auszusetzen, das war nicht mutig, sondern nur dumm.
    »Helft mir einfach, das Floß ans Ufer zu paddeln, dann geh ich alleine weiter.«
    Pi, Filip und Oskar sahen schweigend zu, wie Mik aus Leibeskräften paddelte, ohne das Floß in Richtung Ufer zu bewegen. Die Muskeln spannten sich an den dünnen Armen, er krümmte den Rücken, setzte den ganzen Körper ein. Stöhnte und verzog das Gesicht. Aber das Floß bewegte sich nicht.
    Pis Handy läutete. Ein Signal, zwei Signale. Sie holte es heraus und sah das Display an. Drei Signale, vier. Alle starrten sie an. Fünf Signale. Sie streckte die Hand aus und ließ das Handy neben das Floß fallen. Plumps. Große, erstaunte Augen sahen sie an. Sie lächelte. Oskars Handy läutete. Er warf Pi einen Blick zu. Grinste leicht verunsichert und warf es ins Wasser. Sekunden danach läutete es in Filips Hosentasche. Er zog das Handy heraus, schüttelte den Kopf und jammerte.
    »Es ist mit Radio, Fotoapparat, MP3, Taschenlampe. Es ist sogar …«
    Alle sahen ihn an.
    »Bist du feige?«, fragte Oskar.
    Filip streckte die Hand aus und ließ das Handy fallen. Plumps! Die Signale piepsten schwach, während es auf den Grund hinabschwebte.
    »… wasserdicht.«
     
    Sie paddelten schweigend. Keiner beschwerte sich über Blasen oder die Müdigkeit. Pi spähte in regelmäßigen Abständen durch das Fernglas. Das Einzige, was sie sah, waren Bengt und Bertil, die Netze einholten.
    Selbst als die Sonne untergegangen und die Luft kühl und blau geworden war, setzten sie ihre Fahrt fort. Mik merkte, dass das Paddeln inzwischen leichter ging und das Floß schneller durchs Wasser glitt. Sie hatten die Strömung erreicht.
    »Wir bleiben erst mal hier«, sagte Pi. »Dort hinten ist der Ausfluss. Und für die Älgstromschnellen brauchen wir Tageslicht.«
    Sie machten das Floß an ein paar großen Bäumen fest und tarnten es mit belaubten Ästen, die sie zwischen den Balken befestigten und über das Zelt breiteten. Ein schwimmender Busch, unmöglich als Floß zu erkennen.
    Dann krochen sie in das Zelt und in ihre Schlafsäcke.
     
    Mik konnte nicht schlafen. Die anderen schliefen schon. Oskar hatte Filips Kissen geklaut, und Pi schnarchte leise vor sich

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