Ihr letzter Tanz
war tot.
Gestorben auf der Tanzfläche.
2. KAPITEL
„H ey, Quinn, Besuch für dich.“
Quinn O’Casey war erstaunt, als er Amber Larkin am Kopf der Leiter stehen sah, die aus dem Wasser hinauf an Deck führte. Er trug seine komplette Taucherausrüstung, da er die letzten gut fünfundvierzig Minuten damit verbracht hatte, Entenmuscheln vom Rumpf seines Bootes
Twisted Time
abzukratzen.
Soweit er wusste, hätte sich Amber in Key Largo im Büro aufhalten und dort arbeiten sollen. Er war im Urlaub, sie nicht.
Er zog die Augenbraue hoch, um ihr deutlich zu machen, dass sie zur Seite gehen musste, wenn er an Bord klettern wollte. Sie machte Platz, ging aber über seinen Blick hinweg, der zugleich die unausgesprochene Frage beinhaltete, weshalb sie hier war, wenn er doch seine Ruhe haben wollte.
Als er endlich an Deck stand und sich seiner Schwimmflossen und der Taucherbrille entledigt hatte, sah er den Grund, weshalb sie hergekommen war. Sein Bruder stand ein Stück hinter ihr.
„Hey, Doug“, sagte er und warf beiden einen finsteren Blick zu.
„Du hättest mir auch sagen können, dass du deinen Urlaub hier verbringst. Dann hätte ich nicht bis nach Key Largo fahren müssen, um dann mit Amber den ganzen Weg nach Miami zurückzufahren“, erwiderte Doug mit anklagendem Unterton in der Stimme.
Vielleicht hätte er seinem Bruder wirklich von seinem Urlaub erzählen sollen, aber eigentlich sah er keinen stichhaltigen Grund dafür. Doug hatte vor nicht einmal einem Jahr die Polizeiakademie abgeschlossen. Als ein enthusiastischer und ehrgeiziger Streifenpolizist war er die Sorte jüngerer Bruder, auf die man stolz sein konnte. Er hatte seine Kindheit und Jugend ohne all die Schwierigkeit hinter sich gebracht, unter denen Quinn in jungen Jahren – und auch noch später – gelitten hatte. Aber deshalb war er auch zurück im Süden Floridas, obwohl sein Job keineswegs so locker war, wie er anfangs erwartet hatte.
Quinn schüttelte den Kopf. Er war froh, wieder zu Hause in Florida zu sein. Man konnte hier einfach ein phantastisches Leben führen.
Allerdings begegnete man hier den gleichen Formen unmenschlichen Verhaltens wie überall auf der Welt.
Und deshalb brauchte er auch diesen Urlaub. Nicht, dass er sich am Boden zerstört gefühlt hätte. Dafür wusste er viel zu gut, dass er das Böse auf der Welt ebenso wenig aufhalten konnte wie einen einzelnen Menschen, der anderen etwas antun wollte. Aber wer hätte jemals mit dem gerechnet, was Nell Durken zugestoßen war? Quinn konnte froh sein. Ihr Mörder war in Haft und schmorte entweder für den Rest seines Lebens in einer Zelle oder würde schon bald Bekanntschaft mit dem Tod machen. Doch es war bedeutungslos, welches Strafmaß Art Durken erwartete – Nell würde davon nicht wieder lebendig werden.
Womöglich fühlte er sich doch schuldig. Er fragte sich, ob er sie besser nicht hätte auffordern sollen, ihren Mann zu verlassen, denn sie war ja auch gerade erst zu Quinn gekommen, damit der ihren Ehemann beschattete. In welches Wespennest sie damit stechen würden, war ihnen erst bewusst geworden, als es bereits zu spät war. Schließlich hatte er sie gedrängt, sich von Art zu trennen. Angesichts der Informationen, die Quinn ihr über ihren Mann gegeben hatte, war er davon ausgegangen, dass sie diesen Schritt unternehmen würde.
Doch sie hatte ihn nicht schnell genug verlassen. Art war kein Typ, der seine Frau schlug, aber er hatte an Nell immer wieder sexuelle Forderungen gestellt. Er hingegen verbrachte nebenbei viel Zeit außerhalb der eigenen vier Wände – und zwar mit einer ganzen Reihe von Damen, mit denen er nicht verheiratet war.
Wer zum Teufel hätte wissen sollen, dass der Kerl auf einmal zum Mörder wird?
Quinn hätte es wissen sollen. Er hätte ahnen müssen, in welcher Gefahr Nell schwebte.
Es war dieser spezielle Fall mit seinen tödlichen Folgen, der Quinn wirklich zu schaffen gemacht hatte. Nur etwas Ruhe konnte ihm helfen, seine Verbitterung darüber zu verwinden, dass er Nell am Ende doch nicht hatte helfen können.
Etwas Ruhe und Urlaub. Von der Arbeit, der Familie, den Freunden.
Vielleicht vor allem Urlaub von der Familie. Denn Doug hatte es nicht verdient, dass er seine schlechte Laune und sein aufbrausendes Temperament an ihm ausließ.
Außerdem stand ihm nicht der Sinn danach, Zeit mit Doug zu verbringen. Sein Bruder konnte eine unglaubliche Nervensäge sein, weil er ihn unablässig mit Fragen aller Art bombardierte. So wie ein
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