Ihr letzter Tanz
ins Krankenhaus.“
„Du kommst mit, Quinn.“
„Ashley will mich doch nicht bei der Geburt dabeihaben!“
„Natürlich nicht. Ich auch nicht. Aber sie ist wohl schon eine ganze Weile im Kreißsaal. Du kennst ja meine Frau. Solange es nicht unbedingt nötig ist, will sie mich nicht von meiner Arbeit abhalten. Das Baby kommt in den nächsten ein bis zwei Stunden zur Welt. Komm, lass uns etwas Zeit unter Lebenden verbringen.“
Zwar hörte sich Jake ganz gelassen an, aber er wirkte nervös. Also beschloss Quinn, dass er die Zeit opfern konnte. Er hatte für heute ohnehin nur Internet-Recherche geplant, außerdem wollte er bei Annie anrufen, um sich nach Marnie zu erkundigen, aber das konnte er auch vom Krankenhaus aus machen.
Als sie dort ankamen, durfte er kurz zu Ashley. Ihre Wehen kamen im Abstand von wenigen Minuten und waren sehr schmerzhaft, dennoch gelangen ihr ein Grinsen und die Versicherung an ihren Mann, sie hätte auf keinen Fall riskiert, dass er die Geburt verpassen würde. Als ein Arzt hereinkam, um nach Ashley zu sehen, begab sich Quinn in den Warteraum. Einige Minuten später steckte Jake den Kopf durch die Tür und sagte ihm, die Geburt stehe unmittelbar bevor. Quinn wünschte ihm Glück. In einer ruhigen Ecke rief er Annie in South Miami an.
„Die Kleine ist ein Goldstück“, schwärmte Annie. „Und sie ist nicht auf den Kopf gefallen.“
„Was ist mit dem Stiefvater?“ fragte Quinn. „Lässt sich da etwas machen?“
„Nach dem momentanen Stand der Dinge nicht“, antwortete Annie.
„Das wird ihr zu schaffen machen, wenn sie weiß, dass der Ehemann sich eigentlich an sie ranmachen will, während ihre Mutter sie für die Schuldige hält.“
„Oh, sie ist zäh. Das steckt sie weg. Ich habe heute Nachmittag etwas Zeit, da gebe ich ihr eine Fahrstunde.“
„Großartig. Ist sie gut untergebracht?“
„Na, sicher. Allerdings sagt sie, ihr fehlt der Strand.“
„Meinst du, sie haut ab?“
Annie überlegte einen Moment lang. „Nein. Sie will etwas aus ihrem Leben machen, und sie weiß, dass wir ihr wirklich helfen wollen.“
„Das ist gut. Ich melde mich später wieder.“
Kaum hatte er aufgelegt, stürzte Jake in den Warteraum: „Es ist ein Mädchen! Ich habe eine Tochter!“ Er wirkte wie benommen.
Quinn stand auf und umarmte ihn: „Ich gratuliere.“
„Sie brauchen noch ein paar Minuten, dann kannst du sie sehen. Sie ist so wunderbar, so unglaublich. Nick ist auf dem Weg, und in ein paar Stunden wird es hier zugehen wie in einem Taubenschlag.“
Jake verschwand, während Quinn geduldig wartete.
Eine Viertelstunde später durfte er die Tochter seines Freundes zum ersten Mal in den Armen halten. Sie war wirklich wunderbar. Mit gut neun Pfund galt sie als großes Baby, wie man ihm erklärte. Dennoch kam sie ihm unglaublich winzig vor. Sie hatte dunkle Locken und strahlend blaue Augen – und einen stählernen Griff um seinen Daumen. Quinn erschrak ein wenig über die heftigen Emotionen, die das Baby in ihm auslöste. Unwillkürlich musste er an Marnie denken. Jakes Tochter würde in Wohlstand und Liebe aufwachsen, und die Unschuld würde nie aus ihrem Blick verschwinden.
Als er dann das Baby vorsichtig in die Arme der glücklichen Eltern zurücklegte, dachte er darüber nach, wie erstaunlich und wunderbar es war, ein Kind in den ersten Momenten seines Lebens festhalten zu dürfen.
Es machte ihm umso deutlicher bewusst, dass das Leben zu vieler Menschen einfach vergeudet wurde.
Und vielleicht galt das auch für sein eigenes …
Um kurz vor fünf kam Sam in Shannons Büro.
„Hast du heute Morgen die Zeitung gelesen?“ fragte er.
„Nein, ich habe heute Morgen nicht mal die Nachrichten eingeschaltet.“
„Sie haben ein Bild von der Toten am Strand abgedruckt. In den Nachrichten hieß es, sie sei auch schon identifiziert worden.“
„Oh? Kennen wir sie?“ wollte Shannon wissen.
„Ich glaube nicht. Sie stammte aus Lateinamerika und kam in die Staaten, weil sie einen reichen alten Kerl heiratete. Eines seiner Kinder hat sie auf dem Bild erkannt. Sonya Soundso. Der alte Kerl starb, und da ist sie durchgedreht. Traurige Geschichte, was?“
„Ja, sehr traurig.“
„Da rafft es den alten Sack endlich dahin, sie ist hier und hat sein Geld, und dann – zack, einfach verrückt geworden.“
„Sam, das ist nicht witzig. Sonya … wie?“ hakte sie nach.
„Habe ich vergessen. Es wird nachher in den Nachrichten bestimmt noch mal erwähnt. Also ich habe sie auf
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