Ihr schafft mich
brauchte â so einfach ist es in der Wirklichkeit der Gegenwart ja nicht. Wo also kommen sie her, die Gesetze?
Das älteste Gesetz der Menschheit â vielleicht auch das grausamste
Wenn man einen Archäologen bittet, nach dem ältesten Staat der Welt zu graben, wird er wahrscheinlich etwas verwundert schauen. Wie soll das auch gehen? Ein Staat ist ja erst mal nichts, was man ausgraben kann. Man kann ihn noch nicht mal anfassen, den Staat. Ein Polizeiauto oder das Kanzleramt, die lassen sich anfassen. Aber der Staat? Nach den ältesten Gesetzen könnte der Archäologe aber ja mal graben. Gesetze haben doch auch etwas mit dem Stichwort »Staat« zu tun.
Mit der Frage »Was ist die älteste noch erhaltene Gesetzessammlung?« kommen Archäologen also schon besser zurecht. Sie werden wahrscheinlich sagen, dass man da am besten zum Codex Hammurabi greift. So heiÃt die Gesetzessammlung, die der babylonische König Hammurabi hat in Stein meiÃeln lassen. Es ist ziemlich sicher, dass dieser Codex Hammurabi rund 3700 Jahre alt ist. Und das macht ihn aller Wahrscheinlichkeit nach zum ältesten Gesetz der Welt. Ein Fall fürs Guinness-Buch der Rekorde, wenn man möchte.
Die Regeln, die Hammurabi aufgestellt hat, sind auch in anderer Hinsicht rekordverdächtig. Sie hätten gute Chancen, bei einem Wettbewerb unter der Ãberschrift »Was ist das strengste Gesetz?« ziemlich weit oben zu landen. Auf Diebstahl beispielsweise stand die Todesstrafe. Die war auch dann vorgesehen, wenn jemand einen anderen beschuldigte, er sei ein Mörder, das aber nicht beweisen konnte. Dann sollte der, der die Anschuldigung erhob, getötet werden. Einem Sohn, der seinen Vater angriff, sollte die Hand abgeschnitten werden. Für andere Vergehen wurden andere Körperteile abgeschnitten: Ohren, Zunge oder bei Frauen die Brust.
Beschütze mich!
Dass der Codex Hammurabi ziemlich grausame Strafen vorsieht, steht also auÃer Frage. Wie er zustande kam, ist schon schwieriger zu sagen. Hat der Herrscher Hammurabi sich die Gesetze allein ausgedacht und dann seine Untertanen gefragt, was sie davon hielten? Wie kam es eigentlich, dass Hammurabi als Herrscher galt? Warum haben seine Untertanen nicht einfach gesagt: »Wir möchten überhaupt nicht beherrscht werden.«
Schon vor rund 400 Jahren hat der Brite Thomas Hobbes dazu Gedanken entwickelt, die in folgende Richtung gehen: Vor langer, langer Zeit, bevor es Gesetze wie die von Hammurabi gab, haben sich die Menschen ständig gegenseitig die Köpfe eingeschlagen. Es herrschte ein »Krieg aller gegen alle«. Doch irgendwann waren die Menschen das Schädel-Einschlagen leid. Also haben sie sich zusammengesetzt und untereinander einen Vertrag geschlossen. In diesem Gesellschaftsvertrag legten sie fest, dass das Schädeleinschlagen ab sofort vorbei sein sollte. Und sie einigten sich darauf, dass jemand den Auftrag bekommt, auch durchzusetzen, was dieser Gesellschaftsvertrag vorsieht. Ein König wie Hammurabi zum Beispiel. Diese Vertragstheorie , die Thomas Hobbes als einer der Ersten formuliert hat, erklärt also, warum es Staaten gibt. Und sie erklärt, warum es Herrschaft gibt. Warum die einen das Recht haben sollen, über andere zu bestimmen. Die Antwort: Weil das gut sei für die Beherrschten. Für die Herrschenden sowieso.
Herrscher von Gottes Gnaden
Stellt sich die Frage, wie man bestimmt, wer herrschen soll? Im Europa des 21. Jahrhunderts ist die klare Antwort: durch Wahlen. Aber man kann auch ganz andere Antworten geben. Thomas Hobbes hatte dazu eine andere Idee. Er wollte, dass an der Spitze eines Staates ein Alleinherrscher steht. Der sollte sich bei seiner Herrschaft nicht nach Regeln richten müssen, die andere sich ausdenken. Ein König also, der von Gesetzen losgelöst (lateinisch: legibus absolutus ) regiert. Ein absolutistischer Monarch.
Regieren soll eine einzelne Person â diese Idee war lange Zeit in allen Teilen der Welt allgemein akzeptiert. Könige, Kaiser oder Diktatoren haben sich zwar auch durch Gewalt und Unterdrückung an der Macht gehalten. Wer aufmuckte, kam in den Kerker, wurde gefoltert, in Stücke geschnitten, aufgehängt. Aber jahrhundertelang, jahrtausendelang gehörte es zum Weltbild der Beherrschten, dass es schon seine Richtigkeit habe, wenn es Herrscher gibt und Untertanen. Das war eine Norm, die die Beherrschten verinnerlicht hatten, also internalisiert
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