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Ihr schafft mich

Ihr schafft mich

Titel: Ihr schafft mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolaus Nuetzel
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    Die Vorstellung, dass ein Einzelner regiert, passt auch in alte religiöse Vorstellungen von der Ordnung der Welt. In vielen Religionen glauben die Menschen nicht nur an einen Gott (oder mehrere). Sie glauben auch, dass die jeweiligen Herrscher durch den Willen Gottes auf ihrem Posten seien. Nicht nur die früheren deutschen Kaiser erklärten von sich selbst, sie hätten ihre Macht »von Gottes Gnaden«. Auch der Diktator Francisco Franco, der Spanien jahrzehntelang mit Folter und Gewalt regierte, behauptete, er sei durch den Willen Gottes auf seinem Posten. Und auch das britische Königshaus schreibt bis heute neben das Bild des jeweiligen Regenten »Dei Gratia« – durch Gottes Gnade. Wobei von einem Herrscher in Großbritannien kaum mehr die Rede sein kann. Politische Macht haben dort seit geraumer Zeit nur das vom Volk gewählte Parlament und die Regierung.
    Eine Frage der Autonomie
    Heute gilt eine absolutistische oder diktatorische Form der Herrschaft, die von Gesetzen losgelöst ist, in der Mehrzahl der Länder der Welt als undenkbar. Die Vorstellung, dass Einzelne unbeschränkte Macht haben sollen, klingt für moderne Demokraten verrückt. (Es sei denn, es geht um Länder, von denen man Öl kaufen will, wie etwa Saudi-Arabien – da geht nach Ansicht der hiesigen Demokraten eine komplett antidemokratische Königsherrschaft völlig in Ordnung.) Überhaupt soll es in modernen Demokratien keine Herrscher geben, sondern Regierende – die sich beim Regieren ebenso an Regeln halten müssen wie alle anderen auch. Und Regierende können durch Wahlen von der Aufgabe des Regierens wieder entfernt werden. Jeder Mensch soll autonom über sein Leben bestimmen können, das ist die Grundregel moderner westlicher Gesellschaften. Also soll er auch bestimmen können, wer ihn regiert. Jemand wie Thomas Hobbes, der sich vor vier Jahrhunderten für eine absolutistische Alleinherrschaft stark machte, würde heute als ein bisschen wahnsinnig gelten.
    Aber Hobbes war nicht wahnsinnig. Er hatte Gründe, warum er seine Vorschläge genau so gemacht hat. Der Hauptgrund: Er hatte keine sonderlich gute Meinung vom Menschen als solchem. Und wenn man die Frage »Was ist ein guter Staat?« beantworten möchte, muss man erst mal eine andere Frage stellen: »Ist der Mensch denn gut? Oder ist er nicht ein bösartiges Tier, das gebändigt werden muss?«

Kapitel Zwölf
    Unter Wölfen?
    Was es für Folgen hat, wenn man den Menschen für ein Tier hält. Was es für Gründe gibt, den Menschen für ein Tier zu halten. Und was dagegen spricht.
    Wenn man im Zoo oder in einem Wildpark Wölfe anschaut, wird man meistens feststellen: Die machen eigentlich einen recht braven Eindruck. Jedenfalls gehen sie sich nicht gegenseitig an die Gurgel. Als Schaf oder Ziege sollte man sich natürlich nicht in ein Wolfsgehege begeben. Aber gegenseitig tun sich die Mitglieder eines Wolfsrudels üblicherweise nicht groß was an.
    Dennoch wird ein Spruch des britischen Polit-Theoretikers Thomas Hobbes seit Jahrhunderten immer wieder zitiert: homo homini lupus – der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Hobbes nahm diesen alten lateinischen Spruch, um eine seiner Grundüberzeugungen zu untermauern. Wenn man die Menschen nicht davon abhält, sich an die Kehle zu gehen, glaubte er, dann tun sie genau das: sich an die Kehle gehen. Der »Krieg aller gegen alle« sei der Naturzustand des Menschen.
    Thomas Hobbes hat sich natürlich nicht so sehr dafür interessiert, wie Wölfe tatsächlich miteinander umgehen. Aber aus seinem Menschenbild leitete Hobbes Vorschläge ab, die durchaus der Natur entnommen sind. So wie es im Wolfsrudel ein Leittier gibt, dem sich die andern unterwerfen, so sollten sich auch die Menschen einer obersten Gewalt unterwerfen, meinte Hobbes.
    Seit Menschen der Frage nachgehen, wie eine menschliche Gesellschaft aufgebaut sein sollte, stellt sich ihnen eine andere Frage, die zuvor beantwortet werden muss: »Was ist der Mensch?« Ist er möglicherweise von Natur aus böse und muss erst durch Gesetze und Herrschaft gezähmt werden? Ist er vielleicht von Natur aus eigentlich gut und wird nur durch schlechte Lebensbedingungen mitunter ein schlechter Mensch? Ist jeder Mensch im Grunde vernünftig – oder sind die meisten ziemlich blöde? Kann man gegen die Blödheit der Menschen etwas tun oder ist dagegen kein

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