Ihr schafft mich

Doch diese Zeilen bieten gleich eine ganze Reihe von interessanten Anknüpfungspunkten, wenn man herausfinden möchte, woher sich die einen das Recht nehmen, den anderen etwas vorzuschreiben.
    Es geht dabei erst mal vor allem um eines: Gewalt. Und es geht um die Frage, wie sich sicherstellen lässt, dass Gewalt höchstens von einer Stelle ausgeht. »Monopol« ist üblicherweise ein Begriff aus der Wirtschaft. Er beschreibt einen Zustand, in dem nur ein einzelner Anbieter eine bestimmte Ware im Angebot hat. Beim Gewaltmonopol geht es darum, dass nur eine einzelne Gruppe von Menschen das Recht hat, Gewalt auszuüben.
    Gewalt ohne Kontrolle
    Gewaltmonopol also. Fachbegriff. Wen interessiert so was? Fragen wir Abdi. Er ist 15 Jahre alt und lebt in einem Flüchtlingsheim in Deutschland. Geboren ist er in einer Stadt in Ostafrika namens Mogadischu. Auf die Frage, in welchem Staat er geboren wurde, ist für Abdi eine Antwort schon schwieriger. Politikwissenschaftler nennen Somalia einen failed state . Es gibt dort keine funktionierende staatliche Ordnung mehr. Somalia ist also kein Staat. Bei Wikipedia wird Somalia folgerichtig als zerfallener Staat bezeichnet.
    Wenn man Menschen wie Abdi zuhört, wie das Leben in einem failed state so ist, dreht sich vieles um Gewalt. Verschiedenste Gruppen in Somalia üben Gewalt über andere aus. Mal geht es einfach um Geld, also um schlichte Kriminalität. Mal geht es um Fragen der Religion. Die Gruppen beanspruchen für sich das Recht, sich von keiner Polizei, keinem Militär und überhaupt von niemandem vorschreiben zu lassen, was sie tun und lassen sollen. Es gibt kein »Monopol physischer Gewaltsamkeit«, kein Gewaltmonopol des Staates.
    Es ist nicht schwer zu verstehen, warum Abdis Eltern in ein anderes Land wollten; in ein Land wie Deutschland, die USA oder Australien. Die Liste lässt sich natürlich noch sehr weit verlängern. Die Zahl der einigermaßen funktionierenden Staaten ist weit größer als die der failed states . Auch in Ländern, die nicht als gescheiterte Staaten gelten, gibt es Verbrecher, die auf vielerlei Weise andern Menschen Gewalt antun. Aber dort ist es die Ausnahme und nicht die Regel, dass Gewalttäter ungestraft davonkommen. Die staatlichen Institutionen in Deutschland, den USA oder Australien beanspruchen mit Erfolg das Gewaltmonopol für sich.
    Man muss der somalischen Familie von Abdi nicht lange zuhören, um zu erkennen, dass es sich in einem funktionierenden Staatsgebilde besser lebt als in einem failed state . Tagtägliche Morde. In vielen Landesteilen keine Stromversorgung, weil Diebe die Stromleitungen stehlen. Keine Hilfe für Kranke. Essen nach Zufall. Es wird schnell klar: Ein mehr oder weniger funktionstüchtiges Staatswesen hat Vorteile.
    Bleibt die Frage: Was muss so ein Staat eigentlich regeln? Muss es die Tausende und Zigtausende von Vorschriften geben, die es etwa in Deutschland gibt? Genügt es nicht, wenn der Staat Gewalt unterbindet?
    Fast unzählbar: Gesetze und Paragraphen
    Wie viele Gesetze gibt es? Eine Antwort auf diese Frage gibt regelmäßig die Firma LexXpress. Und diese Antwort ist beeindruckend: Ende 2010 gab es nach der Zählung von LexXpress allein auf Bundesebene in Deutschland 1905 Gesetze. Dazu kamen 3437 Verordnungen . Sie waren zusammen in 76 612 Artikel und Paragraphen unterteilt. Noch einmal dazurechnen müsste man allerdings die Gesetze und Verordnungen der verschiedenen Bundesländer, zum Beispiel über das jeweilige Schulwesen. Schließlich müsste man Vorschriften dazu addieren, die die Städte und Gemeinden erlassen, etwa über Abwassergebühren oder zur Regelung, wo Hunde ohne Leine laufen dürfen und wo nicht. Das alles zusammenzuzählen, damit sieht sich allerdings auch LexXpress überfordert. Insgesamt würden sich alle Vorschriften wohl auf Hunderttausende summieren. Wer Spaß an skurrilen Wortschlangen und Abkürzungen hat, kann sich auf der Internetseite www.gesetze-im-internet.de einen Überblick verschaffen – von A (wie A/KAE oder Ausführungsanordnung zur Konzessionsabgabenanordnung ) bis Z (wie ZusEntschLnuklSchÜbk oder Übereinkommen über zusätzliche Entschädigungsleistungen für nuklearen Schaden ) .
    Wie viel Staat darf’s denn sein?
    Warum gibt es so viele Gesetze? Früher ist man ja auch mit weniger ausgekommen, im Mittelalter etwa. Da gab es zwar ebenfalls