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Ihr schafft mich

Ihr schafft mich

Titel: Ihr schafft mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolaus Nuetzel
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Fragen aufwirft. Auf die soll weiter unten noch eingegangen werden.)
    Zunächst bleiben wir bei der Feststellung, liebe Leserin, lieber Leser: Du bist keine Mörderin und auch kein Mörder. Und der Autor dieses Buches ist es auch nicht. Wenn wir ehrlich sind, können wir uns gar nicht wirklich vorstellen, jemanden zu ermorden. Es soll jetzt hier nicht davon die Rede sein, dass man sich mal ausmalt, wie es wäre, den Bruder zu erwürgen, die Mutter zu erschlagen, den Lehrer zu vergiften. Die allermeisten Menschen brauchen eigentlich kein »Du sollst nicht töten«. Oder auch »Du sollst nicht morden«, wie es manchmal übersetzt wird.
    Wir würden es nicht tun. Wir würden es wahrscheinlich gar nicht hinbekommen. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass man auch die allermeisten Soldaten erst mit großem Aufwand dazu bringen muss, im Krieg ihre Tötungshemmung zu überwinden. Das Verbot »Du sollst nicht töten« hat jeder gesunde Mensch tief in sich verankert.
    Dennoch wird dieses Verbot seit vielen Tausend Jahren ausdrücklich aufgestellt, in allen menschlichen Gesellschaften. Der Grund ist simpel: So fern liegt es dann doch nicht, einen andern zu töten. Das kommt in den besten Familien vor. Man muss nur mal überlegen, ob nicht vielleicht der eigene Großvater, Onkel oder Großonkel Menschen getötet hat. Mein Onkel hat das getan. Ich war zwar nicht dabei, auch sonst niemand aus der Verwandtschaft. Aber es gilt als sicher: Dieser Onkel hat Menschen getötet. Obwohl er ein rundum zivilisierter, gebildeter Mensch war. Er trug beim Töten aber eine Uniform, damals im Zweiten Weltkrieg. Deswegen war die Sache okay.
    Hmm. Tatsächlich? War sie das? Wenn ja, warum? Und wenn nein, warum nicht? Hat nicht der Schriftsteller Kurt Tucholsky mit seinem Spruch »Soldaten sind Mörder« recht? Was ist eigentlich Mord?
    Töten ist nicht gleich töten.
    Wer wissen möchte, was Mord ist, schlägt am besten im Strafgesetzbuch nach. Dort ist er definiert. In Paragraph 211 heißt es, dass ein Mörder ist, wer »aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen« tötet. Oder auch, »um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken«. Merkmal für einen Mord kann es auch sein, dass er »heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln« begangen wird. Die Strafe dafür lautet lebenslange Haft.

    Das deutsche Strafrecht hält es aber auch für möglich, dass jemand einen anderen tötet, ohne dass die besonderen Merkmale eines Mordes vorliegen. Dann ist von »Totschlag« die Rede und die Strafe fällt geringer aus. Hier lautet das Strafmaß »nicht unter fünf Jahren« und nur in besonders schweren Fällen »lebenslang«.

    Die, die das deutsche Strafgesetzbuch geschrieben haben, wollten eindeutig klarstellen, dass es ihrer Ansicht nach durchaus mal passieren kann, dass einem Menschen die Sicherungen durchbrennen – und er deshalb einen anderen umbringt. Deswegen ist auch der »minder schwere Fall des Totschlags« im Strafgesetzbuch ausdrücklich geregelt. Im Paragraphen 213 heißt es, dass ein Täter auch mit einem Jahr Gefängnis davonkommen kann, wenn er zum Beispiel eine »schwere Beleidigung« hinnehmen musste und dadurch »zur Tat hingerissen worden« ist. Hier wird dem Täter also zugestanden, dass er seine menschentypische Wut nicht unter Kontrolle hatte. Und das wird als weit weniger bestrafungswürdig angesehen als ein Mord. Ganz ähnlich steht es auch im Strafrecht der Schweiz. Dort heißt es, eine geringere Strafe als bei Mord sei angemessen, wenn jemand »in einer nach den Umständen entschuldbaren heftigen Gemütsbewegung oder unter großer seelischer Belastung« einen andern tötet.
    Wenn der Staat tötet
    Bemerkenswert ist auch, dass der Verstoß gegen die oberste Regel im menschlichen Zusammenleben – »Töte keinen anderen!« – immer wieder ausdrücklich erlaubt wird. Eine ganze Reihe von Staaten, die als durchaus zivilisiert gelten, halten es für angebracht, ihre Bürger in bestimmten Fällen umzubringen. In den USA beispielsweise tötet der Staat Bürger dann, wenn sie selbst jemanden getötet haben. Die Todesstrafe gilt dort als gerechte Strafe für den, der jemand anderm den Tod zugefügt hat. In andern Ländern hat man

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