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Ihr schafft mich

Ihr schafft mich

Titel: Ihr schafft mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolaus Nuetzel
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die Todesstrafe anders geregelt. In China beispielsweise müssen auch Beamte, die sich bestechen lassen, damit rechnen, vom Staat getötet zu werden.
    Andere Gesellschaften, wie die meisten Länder Europas, haben zum Thema Todesstrafe eine andere Übereinkunft getroffen. Wenn es der maximale Verstoß gegen die Regeln des Zusammenlebens ist, einen Menschen zu töten, dann darf auch der Staat niemanden töten, so lautet der Grundgedanke in Staaten wie Deutschland, die die Todesstrafe abgeschafft haben. Entsprechend steht ganz am Anfang des deutschen Grundgesetzes: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Auch die Würde eines Mörders. Denn er bleibt ein Mensch, egal was er verbrochen hat. Niemand ist ein Monster, auch wenn bestimmte Zeitungen Verbrecher immer wieder so bezeichnen.
    Geregelte Regellosigkeit
    Allerdings gibt es auch von dieser Regel Ausnahmen. Es gibt in Deutschland zwar keine Henker mehr, die mit Fallbeilen oder auch Gewehren andere Menschen töten – oder auch mit moderneren Methoden wie Giftspritzen. Doch für Polizisten oder Soldaten wird das Tötungsverbot in bestimmten Fällen aufgehoben. Soldaten der Bundeswehr, die zum Beispiel in Afghanistan im Einsatz sind, unternehmen zwar keine planmäßigen Vernichtungsangriffe, wie es deutsche Soldaten im Ersten und Zweiten Weltkrieg getan haben. Aber auch die Patronen, die deutsche Soldaten heute abfeuern, sind immer wieder tödlich.

    Für die Einsätze deutscher Soldaten heute gibt es strenge Vorschriften. Überhaupt haben sich moderne Armeen genaue Regeln zugelegt, was im Krieg erlaubt sein soll und was nicht. Das Töten eines uniformierten jungen Mannes der gegnerischen Seite während eines Kampfes ist in Ordnung. Nach dem Kampf auch noch die Eltern oder die Ehefrau dieses jungen Mannes zu töten, ist hingegen nach den gängigen Kriegsregeln nicht erlaubt. Einen gegnerischen Soldaten mit einem gezielten Schuss zu töten, ist erlaubt. Ihn zuerst so zu verletzen, dass er kampfunfähig ist, und ihn dann in aller Ruhe zu töten, ist nicht erlaubt.
    Die Regeln für einen vermeintlich ordentlichen Krieg reichen lange zurück. So wurden im Jahr 1899 in der Haager Landkriegsordnung »Gesetze und Gebräuche« fürs massenhafte Töten festgelegt. Seit es Regeln fürs Kriegführen gibt, wird allerdings gegen sie verstoßen. Das ist nicht weiter verwunderlich. Jeder Krieg zu jeder Zeit bedeutete immer weitgehend regellose Entfesselung von Gewalt. Deutsche Soldaten haben im Zweiten Weltkrieg französische Frauen vergewaltigt, russische Kinder verbrannt, italienische Gefangene mit Genickschuss getötet. Und wie sie hinterher freimütig bekannten, hatten einige richtig Spaß dabei. Russische Soldaten haben deutsche Frauen vergewaltigt, polnische Gefangene erschossen. Und auch in jüngster Zeit haben amerikanische Soldaten Frauen, Kinder, Alte im Irak oder in Afghanistan misshandelt und getötet. Das sind Dinge, die in jedem Krieg geschehen.
    Eine Erklärung dafür ist naheliegend. Wenn im Krieg Menschen die Erfahrung machen, dass die oberste Regel des menschlichen Zusammenlebens gekippt wird, dann ist es schwierig, überhaupt noch Regeln aufrechtzuerhalten. Wenn mir erlaubt wird, dass ich andere töte, warum soll ich dann noch den feinen Unterschied machen zwischen Leuten mit Uniform und ohne Uniform? Wenn ich bei einem Bombenangriff oder einer Panzerattacke auf eine Stadt Männer, Frauen und Kinder töten darf, warum soll ich dann nicht auch Frauen und Mädchen zum Sex zwingen dürfen? Im Krieg gilt am ehesten noch eine einzige Regel. Die, dass man den Befehlen seiner Vorgesetzten gehorcht. Egal wie unmenschlich oder unsinnig diese Befehle sein mögen.
    Spielwiese für Wahnsinnige
    Weil im Krieg die oberste Regel menschlichen Zusammenlebens außer Kraft gesetzt wird, können sich oftmals auch Leute so richtig austoben, die im Frieden in der Psychiatrie oder im Gefängnis landen würden. Wenn jemand heute auf einem deutschen oder österreichischen Marktplatz anfängt, mit einem Maschinengewehr um sich zu schießen, dann ist klar: Das ist ein Irrer oder ein Verbrecher, der gegen alle Regeln verstößt und so schnell wie möglich gestoppt werden muss. Falls derselbe Mensch als Soldat während eines Krieges mit dabei ist, wenn ein Dorf oder eine Stadt erstürmt wird, dann soll er sogar mit dem Gewehr um sich schießen. Er kann den

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