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Ihr schafft mich

Ihr schafft mich

Titel: Ihr schafft mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolaus Nuetzel
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»Katholische Landbevölkerung« haben also immer weniger Bedeutung. Gleichzeitig bilden sich neue Milieus. Die Grünen schöpfen Wahlerfolge aus einem Milieu von halbwegs gut verdienenden, gut ausgebildeten Leuten, die sich eine intakte Umwelt wünschen und selbst gesund leben möchten. Die Piratenpartei kommt aus einem ähnlichen Milieu. Sie stützt sich aber auf Leute, denen die Profi-Politiker der Grünen inzwischen zu alt geworden sind, und auf Leute, die viel Zeit am Computer und im Internet verbringen – und die sich daher für Fragen wie »Informationsfreiheit im Netz« interessieren, die bei anderen Parteien eher nicht im Vordergrund stehen. Zumal viele Politiker, die nicht in der Piratenpartei aktiv sind, große Mühe haben, die Themen dieser Partei und ihrer Anhänger überhaupt zu verstehen.
    Aber warum eigentlich? Und warum verstehen vor allem Jugendliche es wiederum nicht, wenn die Politiker der traditionellen Parteien bestimmte Regeln mit Zähnen und Klauen verteidigen? Etwa zum Urheberrecht?

Kapitel Sechzehn
    Was Gummibärchen und Lady Gaga miteinander zu tun haben.
    Wie Lieder und Filme mit Politik und Regeln zusammenhängen. Und warum plötzlich von Gummibärchen die Rede ist.
    Den Brief mit dem schockierenden Inhalt hat nicht Lisa aufgemacht, sondern ihr Vater. Doch es ging um etwas, das sie betraf. Mit ihrem Computer sei ein Film illegal aus dem Internet heruntergeladen worden, schrieb eine Rechtsanwaltskanzlei. Deshalb sei eine Strafzahlung von 650 Euro fällig. Wenn Lisa und ihre Familie darauf eingingen, dann würden sie keine weiteren Schwierigkeiten bekommen, hieß es in dem Brief. Wenn sie sich weigerten, sei allerdings gewaltiger Ärger zu erwarten.
    Lisa beteuert, sie habe den Film, um den es da geht, nie aus dem Internet heruntergeladen. Aber sie schiebt hinterher, dass sie natürlich mit Freundinnen und Freunden Musik austauscht. Sie hat dabei auch kein schlechtes Gewissen. »Das tut doch niemandem weh, oder?«, fragt sie.
    Das Internet sorgt dafür, dass alte Regeln radikal infrage gestellt werden. Und es schafft neue Regeln. Zu den alten Regeln gehört: Wer ein Lied komponiert hat, wer einen Film gedreht hat, wer ein Buch geschrieben hat, der hat ein Recht darauf, zu bestimmen, was mit seinem Werk geschieht. Üblicherweise will ein solcher Urheber Geld dafür, wenn jemand sein Werk nutzt. Und auch alle anderen, die mit der Verbreitung eines solchen Werks zu tun haben, möchten etwas verdienen.
    Bei gedruckten Büchern wird es kaum jemanden geben, der sagt, dass er diese Regel nicht versteht. Auch du, liebe Leserin oder lieber Leser, wirst das Buch, das du gerade in Händen hältst, ja nicht geklaut haben. Und wenn, dann hättest du wohl ein nicht ganz reines Gewissen.
    Sei brav, gib ab
    Bei E-Books, vor allem aber bei Filmen und Musik, sieht die Sache anders aus. Da gilt eine alte soziale Norm auf ganz neue Weise. Die Norm, dass man das, was man hat, mit anderen teilen soll. Wer beim Filesharing nicht mitmacht, verstößt gegen den guten Ton. Wer heute 13, 14 oder 16 ist, der hat, seitdem er denken kann, immer wieder eines gehört: Er soll vom dem, was er hat, anderen etwas abgeben. Wer 50 Gummibärchen hat, soll sie mit den andern teilen. Denn 50 Gummibärchen sind ja wohl mehr als genug. Also kann man etwas davon abgeben. So gehört sich das.
    Nun stellt sich für Jugendliche heute die Frage: Warum sollte das beim neuen Album von Lady Gaga anders sein? Warum soll es da kein netter Zug sein, das auf dem Schulhof mit anderen zu teilen? Zumal ich ja beim Gummibärchen-Teilen das Problem habe, dass mir selbst jeder Gummibär, den ich abgebe, hinterher fehlt. Wenn ich hingegen meine Musik teile, habe ich sie hinterher immer noch. In all ihrer Pracht.

    Ein Gummibärchen-Produzent und ein Chef eines Musiklabels würden dazu vielleicht den gleichen Kommentar abgeben. Wer viele Gummibärchen verteilen möchte, der muss viele kaufen. Das macht den Hersteller froh und seine Beschäftigten ebenso. Gummibärchen-Teilen steigert den Umsatz der Süßwarenindustrie. Wer Musik teilt, macht das genaue Gegenteil. Wer sein (hoffentlich brav selbst gekauftes) Lady-Gaga-Album mit drei anderen Leuten teilt, sorgt dafür, dass diese drei das Album schon mal nicht mehr kaufen. Musik-Teilen senkt den Umsatz der Unterhaltungsindustrie.
    Lisa und ihre Freunde sagen nun: Die kommt auch so

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