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Ihr schafft mich

Ihr schafft mich

Titel: Ihr schafft mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolaus Nuetzel
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zur Verfügung steht, was ihnen nicht zur Verfügung stand, bevor sie Politiker wurden.
    In Europa wird man als Politiker zwar nicht unbedingt reich, aber man verdient ganz gut. Ein deutscher Hauptschullehrer, der es schafft, Landtagsabgeordneter zu werden, verbessert sich wirtschaftlich ganz eindeutig. Und in vielen Ländern haben es Politiker so eingerichtet, dass sie rundum wohlhabend sind, wenn sie den Politikbetrieb verlassen. Auch das ist zusätzliches Futter fürs Ego.
    Ab einer gewissen Stufe interessieren sich dann auch Journalisten dafür, was der Politiker zu diesem oder jenem zu sagen hat. Der Politiker bekommt also noch mehr Futter für sein Ego. Denn wer interviewt wird, fühlt sich wichtig. Und Politiker werden zwar immer mal wieder beschimpft und angegriffen – sie erleben es aber auch immer wieder, dass sie vor großen Versammlungen von Menschen stehen, die ihnen zu Hunderten oder gar Tausenden applaudieren und zujubeln. Und das ist schon was fürs Ego, wenn man da am Rednerpult steht und die Leute unten klatschen wie wild. Da geht es dem 60-jährigen Politiker nicht anders als dem 16-jährigen DSDS -Kandidaten.
    Eine ganze Reihe von Politikern fühlt sich auch nicht nur wichtig, sie sind wichtig. Sie haben Macht. Die Macht, Gesetze zu beeinflussen, Entscheidungen über Millionen und Milliarden von Euro zu treffen. Und Macht ist endgültig echtes Kraftfutter fürs Ego.
    Nicht wenige Politiker können auch erleben, dass Macht sexy ist. Zumindest männliche Politiker erleben das. Der frühere SPD-Minister Franz Müntefering hat eine Frau geheiratet, die 40 Jahre jünger ist. Der frühere SPD -Bundeskanzler Willy Brandt war für eine 33 Jahre Jüngere attraktiv genug, dass sie sich mit ihm zusammentat. Dass es allerdings auch beim Thema Ȋlterer Mächtiger und jüngere Geliebte« Grenzen gibt, musste der CDU -Politiker Christian von Boetticher erleben. Als er 40 Jahre alt war, hat er es geschafft, eine 16-Jährige so von sich zu überzeugen, dass sie einige Monate mit ihm eine Beziehung lebte und auch mehrere Nächte mit ihm verbrachte. »Es war schlichtweg Liebe«, sagte er hinterher. Ob diese 16-Jährige auch für einen 40-jährigen Supermarkt-Kassierer so sehr in Liebe entbrannt wäre, um mit ihm ein Hotelbett zu teilen, wissen wir nicht. Was wir sehr wohl wissen: Ein 40-jähriger Berufspolitiker und eine 16-Jährige, das kam in der Öffentlichkeit dann doch nicht gut an. Der Mann, der gute Chancen hatte, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein zu werden, hat im Jahr 2011 seine Karriere erst mal beendet.
    Leben im Raumschiff
    Macht verändert Politiker. Und sie entfernt den Politiker vom Rest der Welt. Ab einer bestimmten Stufe hat er nicht nur ein oder zwei Mitarbeiter, sondern er kann Dutzenden Leuten Anweisungen geben. Er hat nicht nur das Recht, den Fahrdienst des Bundestages oder Landtages zu nutzen, sondern er hat als Minister, Ministerpräsident oder Kanzler (oder Kanzlerin) stets einen eigenen Chauffeur. Dann kümmern sich auch noch Sicherheitsleute darum, dass dem Politiker nur ja nichts geschieht. Spätestens wer auf dieser Stufe ist, kann sich gegen eines nicht mehr wehren: Er wird noch einmal neu sozialisiert . Und zwar in die Rolle des Riesen-Egos, das – abgehoben vom Rest der Welt – Macht über andere ausübt.
    Gleichzeitig wird dieses Ego aber auch laufend verbogen. Kein Politiker kann jemals sofort und genau das durchsetzen, was er für richtig hält. Die Grünen-Politiker beispielsweise, die in den 1980er-Jahren den Ausstieg aus der Kernenergie verlangten, mussten erst einmal 30 Jahre warten, bis dieser Ausstieg überhaupt begann. Und dann mussten die Kernkraftgegner feststellen, dass jahrzehntelang jede Menge hochgefährlicher Atommüll angefallen ist. Um diesen Müll müssen sich Politiker kümmern. Im Zweifelsfall auch die Politiker, die eigentlich immer dagegen waren, dass solcher Abfall produziert wird. So kann es schließlich passieren, dass ein Umweltminister von den Grünen (oder vielleicht auch mal von der Piratenpartei) ein Atommüll-Endlager in Deutschland zu managen hat – auch wenn er nichts ekliger findet als diese Aufgabe.
    Der Grünen-Politiker Thomas Kretschmann beispielsweise musste erleben, wie es ist, wenn man nicht selbst demonstriert, sondern andere gegen einen demonstrieren. Nachdem er Ministerpräsident von

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