Ihr stolzer Sklave
Pferde pflegen. Wenn er aufwacht, werde ich mit ihm sprechen.“
„Ich sehe dich morgen früh“, sagte Davin. In seiner Stimme schwang Bedauern mit. Wieder küsste er sie auf den Mund. „Denk darüber nach, was du tun kannst, um unseren Sklaven am Leben zu erhalten.“ Iseult nickte und bückte sich, um in die Hütte zu gehen. Einen Moment lang blieb sie im Eingang stehen und sammelte ihre Gedanken. Warum nur konnte sie nicht diese Glut empfinden, von der die anderen Frauen sprachen? Davins Küsse und seine Zuneigung weckten nichts als Leere in ihr.
Was stimmte nicht mit ihr? Von allen Männern verdiente er es am meisten, geliebt zu werden. Er behandelte sie wie einen ihm teuren Schatz, bot ihr alles, was sie sich wünschte. Aber genau das gab ihr das Gefühl, seiner nicht würdig zu sein.
Mit schwerem Herzen ging sie zu den anderen hinein. Muirne und ihre Familie waren damit beschäftigt, das Abendmahl aufzutragen. Obwohl die Ó Falveys nicht mit Iseult verwandt waren, hatten sie ihr bereitwillig die Tür zu ihrer Hütte geöffnet und sie gastfreundlich aufgenommen. Ihretwegen hatte sie nun einen Ort, wo sie wohnen konnte, während sie sich an ihren neuen Stamm gewöhnte.
Und dank der Ó Falveys brauchte sie nicht mit Davins Mutter zusammenleben. Die Frau des Stammesführers machte keinen Hehl daraus, dass sie Iseult nicht leiden konnte.
„Wer ist der Mann, den Davin mitbrachte?“, fragte Muirne, eine stämmige Frau mit rabenschwarzem Haar. Sie hatte sieben Kinder geboren und Iseult unter ihre Fittiche genommen, als wäre sie ein weiteres ihrer Kinder. Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr sie fort: „Du hast nicht zu Nacht gegessen.
Komm, und setz dich zu uns.“ Sie deutete zu dem niedrigen Tisch hin, wo die anderen Pflegekinder saßen und ihr Abendessen verschlangen, wobei sie einander andauernd neckten.
„Er ist ein Sklave“, antwortete Iseult. „Halb tot, soweit ich weiß.“
„Nun, nicht gerade ein guter Kauf.“ Muirne verdrehte die Augen und reichte ihr einen Teller mit gesalzenen Makrelen und gekochten Mohrrüben.
„Aber für dich ist Davin das schon.“ Dabei lächelte sie, als spräche sie von einem Heiligen.
„Mutter, kann ich noch etwas von dem Fisch haben?“, fragte einer der Jungen.
„Ich auch“, fiel ein anderer ein. Iseult war von Glendon und Bartley bezaubert. Doch ihr Anblick ließ sie ihren eigenen schmerzlichen Verlust noch tiefer empfinden. Iseults Sohn wäre jetzt zwei Jahre alt.
Sie stocherte in ihrem Essen herum. Mit einem Mal war ihr der Appetit vergangen.
„Wieso hast du Davin noch nicht geheiratet?“, fragte Muirne und legte ihr eine weitere Scheibe Brot auf den Teller. „Ich verstehe nicht, wieso du bis Beltaine warten willst.“
„Davin bat mich, zu warten. Er wünscht sich einen besonderen Segen für unsere Ehe.“ Als Muirne ihr noch mehr Essen aufhäufen wollte, hielt Iseult die Hand über ihren Teller. „Ich habe genug, danke.“
„Ich werde es verspeisen“, erbot sich Glendon. Iseult ließ den Fisch auf seinen Teller gleiten, und der Junge verschlang ihn hungrig. Muirne murmelte leise vor sich hin, dass sie zu dünn sei.
Iseult versuchte die Kritik zu überhören. „Ich will den Rest mitnehmen und nachschauen, ob der Sklave hungrig ist.“
„Mit einem wie ihm solltest du nichts zu schaffen haben“, warnte Muirne.
„Er ist ein fudir. Und die Leute werden reden.“ Iseult zauderte. Ja, das würden sie. Es wäre am klügsten, zu bleiben und nicht mehr an den Sklaven zu denken. „Aber ich möchte einen Spaziergang machen. Ich werde nicht lange fort sein.“
Muirne warf ihr einen wissenden Blick zu. „Tue nichts, was du einmal bereuen könntest.“
Iseult versuchte, ein unbekümmertes Lächeln aufzusetzen. Doch es wollte ihr nicht gelingen. „Ich bin bald zurück.“
Draußen beleuchtete der Mond einen Kreis von zwölf strohgedeckten Steinhütten. An der Seite stand ein Holzrahmen, über den ein Rehfell gespannt war. Die Kochfeuer unter freiem Himmel waren niedergebrannt.
Der vertraute Geruch von Torf hing in der Luft, und der Wind des Vorfrühlings drang schneidend durch ihren Kittel und ihr léine . Sie legte sich ihr brat über Kopf und Schultern und suchte unter dem Umschlagtuch nach Wärme. Obwohl sie erst seit letztem Winter bei diesem Stamm lebte, betrachtete sie die Ansiedlung als ihr Heim.
Schließlich blieb sie vor der Krankenhütte stehen. Warum war sie
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