Ihr Wille Geschehe: Mitchell& Markbys Zehnter Fall
hinterlassen?«
»Zweitausend Pfund«, sagte Alan.
»Ihrer Haushälterin hat sie viel weniger vermacht. Einer allein erziehenden Mutter, die das Geld dringend gebrauchen kann.«
»Ah«, sagte Paul weise.
»Vergiss nicht, dass Olivia eine Grande Dame aus der älteren Generation war. Janine Catto war trotz ihrer Kampfstiefel und ihres unabhängigen Stils eine Dienstbotin. Tut mir Leid, wenn ich das sagen muss – Janine würde sich sicherlich nicht so sehen –, aber Olivia hat sie als Dienstmagd betrachtet.« Er erhob sich, um die Gläser reihum wieder aufzufüllen.
»Janine hat auch für Tante Florrie geputzt. Sie war sich nicht zu schade für das ein oder andere Schwätzchen. Offensichtlich bekam Olivia so gut wie nie Post, außer von Behörden oder so, bis auf ein Mal, als sie einen Brief von einem Verwandten ihres verstorbenen Ehemanns erhielt.«
»Lawrence Smeaton?« Alan blickte seinen Schwager überrascht an.
»Janine wusste nicht genau, von wem der Brief stammte, doch es war der gleiche Familienname. Smeaton. Olivia war sehr aufgebracht. Sie wanderte den ganzen Tag durchs Haus und murmelte vor sich hin. ›Wie kann er es wagen!‹ und Ähnliches. Sie hat ihr Mittagessen verschmäht. Anscheinend hat sie selbst den Brief persönlich nie beantwortet. Janine hat mitgehört, wie sie deswegen mit ihrem Anwalt telefoniert und ihn beauftragt hat, den Brief in ihrem Namen zu beantworten. Sie hat gesagt, dass sie nichts mit diesem Menschen zu tun haben wolle und dass er sich nicht wieder bei ihr melden solle.« Markby hielt sein Weinglas ins Licht und bewunderte die rubinrote Farbe.
»Das ist wirklich sehr interessant. Der alte Lawrence Smeaton hat versucht, sich mit ihr zu versöhnen, wie? Er hat ihr einen Olivenzweig dargeboten, entschuldigt das Wortspiel, ein Friedensangebot gemacht, und hat die kalte Schulter gezeigt bekommen. Hast du irgendeine Idee, wann das gewesen ist, Paul?«
»Muss schon eine ganze Weile her sein. Zwei Jahre wenigstens. Jedenfalls lange vor ihrem Tod.«
»Aber er ist weder zur Gerichtsverhandlung noch zu ihrem Begräbnis nach Parsloe St. John gekommen«, bemerkte Meredith.
»Wärst du gekommen?«, fragte Markby.
»Nachdem man dich mit einem Anwalt hätte abblitzen lassen?« In der Küche ertönte ein Scheppern, gefolgt von Vickys Stimme, die erregt schimpfte.
»Böse Katze! Böse, böse Katze!« Die anderen ließen ihren Wein stehen und eilten in die Küche, um nachzusehen, was geschehen war. Nimrod war nirgendwo zu sehen. Vicky stand beim Küchentisch und hielt das Hühnchen mit der linken Hand an ihr Sommerkleid gedrückt, auf dem bereits zahllose Fettflecken waren, und schwang mit der rechten einen Schlegel, den sie aus dem Hühnchen gerissen hatte.
»Oh, Vicky!«, rief ihr gequälter Papa.
»Was hast du nun schon wieder angestellt?«
»Ich war das nicht!«, erwiderte die Kleine indigniert.
»Das war die Katze! Sie war auf dem Tisch. Sie hat das Bein ausgerissen.« Sie schwenkte den Schlegel vor ihren Gesichtern. Nimrod hatte offensichtlich zu seiner Freude herausgefunden, dass die Küche ungeahnte Möglichkeiten für Raubzüge bot.
»Er kann doch unmöglich schon wieder Hunger haben!«, protestierte Meredith verwundert.
»Er hat den Bauch noch voll mit Würstchen. Vielleicht wollte er den Schlegel für später verstecken.« Sie untersuchten den Vogel. Der Schlegel und ein Teil der Brust zeigten eindeutig Zahnspuren und einen langen Kratzer wie von Katzenkrallen.
»Diese Seite muss weg«, grollte Paul.
»Dieses verdammte Mistviech. Die andere Seite sieht unversehrt aus. Dieser verflixte Vielfraß!«
»Wir schneiden einfach alles heraus, Paul«, versuchte seine Ehefrau ihn zu beschwichtigen.
»Ich gebe es Wynne, und die Katze kann es fressen – sie wird tagelang daran zu kauen haben. Wir haben noch genug, auch ohne das Hühnchen.«
»Ich wollte euch doch unbedingt meine Aprikosenfüllung zum Kosten vorsetzen!«, jammerte der Koch. Sie bemühten sich alle, ihn zu trösten, doch er war am Boden zerstört.
»Wenn ich dieses elende Tier heute noch einmal zu Gesicht kriege, schlage ich ihm den Schädel ein, das schwöre ich!«, versprach er.
»Ich werde diesen Kater lehren, seine diebischen Pfoten bei sich zu lassen!« Constable Darren Wilkes war mit hochfliegenden Plänen zur Polizei gegangen, ermutigt durch seinen Onkel Stan. Onkel Stan war dreißig Jahre lang im Polizeidienst gewesen und im Dienstrang eines Station Sergeant in den Ruhestand versetzt worden. Der Onkel
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