Ihr Wille Geschehe: Mitchell& Markbys Zehnter Fall
hieß die Berufswahl seines Neffen mehr als gut, auch wenn die Polizei nicht mehr das Gleiche war wie früher.
»All diese Senkrechtstarter!«, schnaufte er missbilligend.
»Diese Universitätsabgänger, Karrierehengste und was weiß ich nicht alles! Sie mögen ihre Titel haben, zugegeben, klug genug sind sie allemal. Was ihnen fehlt, Darren, das ist Erfahrung! Erfahrung lernt man nicht auf der Schule! Erfahrung sammelt man draußen, wenn man auf Streife geht!« Die letzten Worte pflegte Onkel Stan mit einer weit ausholenden Geste zu begleiten, die durch das Fenster nach draußen in eine unbestimmte Ferne zeigte, ähnlich einem Scout während der nordamerikanischen Pionierzeit, der seinem Wagentreck das Signal zum Aufbruch gibt:
»Westward ho!«
»Erfahrung, Darren, das ist das Einzige, was am Ende zählt!«, pflegte Onkel Stan seine Moralpredigt zu beschließen. Darren war zwar weit davon entfernt, seinem Onkel Stan zu widersprechen – im Großen und Ganzen war er der gleichen Meinung –, doch er hatte angefangen, sich zu fragen, ob er nicht vielleicht ein wenig überoptimistisch gewesen war, als er sich vorgestellt hatte, wie er in den Rängen der Polizei in schwindelerregende Höhen aufstieg. Er wusste, dass er eifrig war und begierig zu lernen. Doch wann immer er Inspector Crane betrachtete (und ganz ehrlich, sie sah atemberaubend aus!), begannen sich in seiner Brust Zweifel zu regen, genau wie im Herzen eines viktorianischen Geistlichen beim Lesen von Darwins Ursprung der Spezies. Aufstieg bei der Polizei bedeutete in seinem Fall Konkurrenz mit den Universitätsabgängern und ihren akademischen Abschlüssen, ihrem gepflegten Umgang mit der englischen Sprache, ihrem geschniegelten Äußeren, ihrem garantierten Aufstieg und Namen wie Amanda, Sebastian oder James (niemals Jim). Eine Hand voll Belobigungen und ein Name wie Darren erzeugten einfach nicht die gleiche Grundlage für Zuversicht – ganz gewiss nicht die gleiche Art Selbstvertrauen –, die den Amandas und Sebastians und wie sie alle hießen ermöglichte, einem Chief Constable in die Augen zu sehen und sich höflich und mit dem erforderlichen Respekt mit ihm zu unterhalten, ohne dabei auch nur eine Spur nervös zu werden. Einige von Darrens Kollegen in der Kantine machten unfreundliche Witze auf Kosten von Inspector Crane. Zum Teil, entschied Darren, weil sie in ihr ein verwöhntes Balg vermuteten. Die meiste Zeit jedoch, weil sie in Amanda Crane eine Bedrohung sahen, ihre Intelligenz ablehnten und unterschwellig ahnten, dass Inspector Crane die Zukunft repräsentierte. Darren respektierte Cranes scharfen Verstand und die gewandte Art, wie sie mit dem Gekicher und dem Zwinkern umging. Er wollte ihr unbedingt gefallen – nicht in MannFrau-Begriffen, sondern als Polizeibeamter. Er wollte ihr beweisen, dass er keiner von diesen pubertierenden Bullen war. In seiner Fantasie spielte er den Watson, und sie war Sherlock Holmes. Nun ja, ein wenig heller als der alte Watson war er schon. Darren hatte die Bücher nie gelesen, doch er hatte die vielen alten Schwarzweißfilme im Fernsehen gesehen, mit Basil Rathbone und Nigel Bruce. Doch heute, an diesem sehr frühen Montagmorgen, an dem der Tau noch die Wiese befeuchtete, wurde Darren bewusst, dass er Inspector Crane eine ganze Menge beweisen musste, bevor er eine solche Rolle annehmen konnte. Die Suchmannschaft hatte sich in kleinen Gruppen versammelt, und die Männer standen fröstelnd herum, rauchten hinter einem Busch und unterhielten sich, klagten, dass niemand am Wochenende in der Lotterie gewonnen hatte, zusammengenommen ein ganz gewöhnlicher Montagmorgen also. Ob hier draußen oder auf der Wache, die Unterhaltungen drehten sich im Grunde genommen immer um das Gleiche.
»Also los, weiter geht’s!«, befahl Sergeant Morris und scheuchte die kleinen Gruppen auf.
»Als Nächstes werden wir den ummauerten Küchengarten in Angriff nehmen, und wenn wir dort nichts finden, geht es in den großen Garten. Irgendwelche Fragen?« Niemand hatte Fragen. Eine Stimme murmelte leise:
»Was sollte es für Fragen geben? Wir suchen nach einem verdammten Messer in einem blöden Dschungel.«
»Durchaus möglich, dass es ein Dschungel ist, Henderson«, entgegnete der Sergeant ätzend.
»Ich nehme doch an, dass Sie das meinten?«
»Selbstverständlich, Sir. Wir sind schon auf dem Weg, Sir.«
»Inspector Crane ist gerade gekommen, Sir. Ihr Wagen steht vorn auf dem Vorplatz.«
»Dann haben wir wenigstens etwas, das
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