Ihr Wille Geschehe: Mitchell& Markbys Zehnter Fall
erklären, dass er ihr vertrauen konnte, dass sie nichts weiter von ihm wollte als helfen. Sie hatten den größten Teil des freien Feldes überquert und näherten sich einem kleinen Wäldchen. Meredith erkannte, dass Kevin genau dorthin wollte. Er stand im Begriff unterzutauchen. Falls er vor ihr dort ankam, würde sie ihn nicht so einfach wiederfinden. Sie verdoppelte ihre Anstrengungen, doch dann setzte schmerzhaftes Seitenstechen ein. Ihre Lungen brannten, ihr Herz drohte zu springen, und ihre Beine wurden immer schwächer. Der unebene Untergrund forderte auch von Kevin seinen Tribut. Ohne Vorwarnung stolperte er und wäre fast gestürzt. Er blieb schwer atmend stehen, um Kräfte zu sammeln.
»Kevin!«, rief Meredith.
»So warten Sie doch! Sie müssen keine Angst haben! Ich will Ihnen nichts tun!« Doch er rannte wieder los und sprang mit unsicheren Schritten in Richtung der Bäume. Sie kamen Meredith irgendwie vertraut vor – und plötzlich erkannte sie, wo sie war. Hinter jenen Bäumen dort lag die Wiese mit den Stehenden Steinen! Noch ein Stück weiter, am Ende des Wäldchens, hatte sie zusammen mit Markby gestanden und heimlich die Tänzer und das Freudenfeuer beobachtet. Irgendwie war es ihr gelungen, den Abstand zu Kevin zu verringern, doch es war zu spät. Er verschwand zwischen den Bäumen und war nicht mehr zu sehen. Meredith blieb nach Atem ringend stehen. Sie war schweißgebadet und krümmte sich vor Seitenstechen, die Hände auf die Knie gestemmt, während sie sich bemühte, ihre zitternden Muskeln wieder unter Kontrolle zu bringen. Sie konnte eigentlich umkehren. Andererseits, falls Kevin sich dort irgendwo versteckte – jetzt, da sie mehr oder weniger wusste, wo sie war, verspürte sie wenig Neigung aufzugeben. Sie setzte sich wieder in Bewegung, weniger eilig diesmal, und blieb unter den ersten, von Rankengewächsen überwucherten Stämmen stehen.
»Kevin, können Sie mich hören?« Es war sehr dunkel unter den Bäumen, und sie war wenig geneigt, ihm tiefer in den Wald zu folgen. Sie lauschte angestrengt in die Finsternis und wurde mit einem scharfen Knacken belohnt, wie von einem brechenden Zweig.
»Kevin? Sie müssen keine Angst haben! Sie können rauskommen. Ich nehme Sie in meinem Wagen mit nach Hause.« Schweigen.
»Es tut mir Leid, wenn ich Sie erschreckt habe, gestern in Ihrem Cottage. Das lag nicht in meiner Absicht. Kevin?« Unsicher machte sie ein paar Schritte tiefer in das Wäldchen. Dunkelheit umfing sie, als hätte jemand das ohnehin schwache Licht draußen auf dem Feld ganz ausgeschaltet. Vor ihr lag ein Pfad, der sich zwischen dem Unterholz hindurchwand und von Brombeeren und Nesseln gesäumt war. Sie stieß mit dem Fuß gegen einen herabgefallenen Ast. Sie bückte sich und brach einen Zweig ab, den sie als Taststock benutzte. Sie hielt ihn vor sich ausgestreckt, um herabhängende Zweige oder andere Hindernisse rechtzeitig zu spüren, und setzte sich erneut in Bewegung. In regelmäßigen Abständen hielt sie inne, um zu lauschen.
»Kevin, falls Sie mich hören können, bitte kommen Sie raus. Ich kann Sie nach Hause fahren. Es fängt vielleicht wieder an zu regnen. Waren Sie gestern Abend zu Hause? Sie können doch nicht ewig hier draußen bleiben und im Freien leben!« Ein Rascheln irgendwo zur Linken. Vielleicht war es Kevin, vielleicht Wasser, das von den Zweigen tropfte, oder vielleicht ein Tier. Verdammter Kerl! Soll er doch bleiben, wo der Pfeffer wächst! Vor Meredith wurde es plötzlich wieder heller. Sie hatte den schmalen Waldsaum durchquert und das Feld auf der anderen Seite erreicht. Erleichtert trat sie ins Freie, froh, die klaustrophobische Dunkelheit unter den Bäumen überwunden zu haben. Und dort – soll man es glauben? Dort spazierte Kevin seelenruhig vor ihr über das Feld. Er hatte offensichtlich angenommen, sie würde ihm nicht durch den Wald folgen, sondern aufgeben und umkehren. Kevin fühlte sich nicht länger verfolgt, und so hatte er es nicht einmal sonderlich eilig. Er hielt sie zum Narren. Entschlossen rannte Meredith los. Ihre Schritte im hohen, nassen Gras waren beinahe geräuschlos. Kevin merkte erst, dass sie ihn immer noch verfolgte, als er schon fast bei den beiden Stehenden Steinen angelangt war. Entweder ein sechster Sinn oder ein leises Quatschen nasser Erde ließen ihn aufhorchen. Er wirbelte herum. Sein Unterkiefer sank herab. Sein Gesicht schimmerte merkwürdig weiß im umgebenden Halbdunkel. Er fummelte unter der Jacke und brachte den
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