Ihr Wille Geschehe: Mitchell& Markbys Zehnter Fall
im Gegenteil! Sie hätten ihn nur noch mehr verwirrt. Außerdem hatte ich ihm bereits gesagt, Sie wären zu Besuch und ich würde Ihnen die Gegend zeigen.« Wynne hatte nicht Unrecht. Was Meredith einmal mehr darüber nachdenken ließ, dass es stets für Probleme sorgte, wenn man der Polizei gegenüber nicht völlig offen und ehrlich war. Die Besuchergeschichte hatte einigermaßen harmlos geklungen, doch wenn sie aus irgendwelchen Gründen gezwungen gewesen wäre, sie zu widerrufen, hätte es Misstrauen erweckt. Sie ging zu den beiden Steinen und blieb mit den Händen tief in den Hosentaschen davor stehen. Das Monument strahlte eine gewisse Faszination aus, kein Zweifel. Was hätte sie darum gegeben, die Geheimnisse der Steine zu erfahren – doch sie waren längst verloren.
»Wissen Sie, Wynne«, sagte sie unvermittelt, »ich bin gar nicht so sicher, ob diese Leute gestern Nacht, die um das Feuer getanzt sind, irgendeine uralte Tradition aufrechterhalten, die bis weit in die Geschichte reicht. Falls hier früher wirklich Rituale stattgefunden haben, dann weiß heutzutage bestimmt niemand mehr, was das für Rituale waren. Nur, dass sie irgendetwas mit Göttern zu tun hatten, so viel scheint festzustehen. Mir ist der Gedanke gekommen, dass die Leute gestern Nacht vielleicht einfach ein Ritual erfunden haben, das ihnen gefällt. Die alten Druiden – oder wer auch immer hier seine Zeremonien beging – wären vielleicht schockiert, wenn sie die modernen Mätzchen und Possen sehen könnten.«
»Diese Leute von gestern Nacht würden Ihnen auf eine diesbezügliche Frage hin bestimmt erzählen, dass sie ihre Rituale von anderen übernommen hätten«, sagte Wynne.
»Na und? Das bedeutet doch gar nichts. Haben Sie als Kind nie Stille Post gespielt? Man sitzt in einem Kreis, und ein Kind flüstert dem nächsten neben sich etwas zu. Das zweite Kind flüstert die Geschichte wiederum seinem Nachbarn zu, und so weiter. Wenn sie beim letzten Kind angekommen ist, steht es auf und erzählt sie laut, und es ist eine ganz andere Geschichte daraus geworden. Und genau das Gleiche denke ich von Sadies Geschichten. Vielleicht lautete ihr Inhalt irgendwann einmal ziemlich ähnlich, aber ich bin sicher, dass im Lauf der Jahrhunderte viel hinzugefügt oder weggelassen oder einfach falsch interpretiert wurde.«
»Man könnte einen interessanten Artikel darüber schreiben«, sinnierte Wynne, doch dann schüttelte sie den Kopf.
»Nein, das hat es schon gegeben.« Sie trat zu Meredith und betrachtete den Stehenden Mann.
»Wissen Sie, es mag Ihnen vielleicht spleenig erscheinen, aber ich muss sagen, diese Steine haben … irgendwie eine Aura. Oder ich für meinen Teil habe zu viel Fantasie.« Sie lachte ein wenig unsicher.
»Nein, ich bin ganz Ihrer Meinung. Diese Steine haben eine verborgene Macht. Ich bin nicht sicher, ob irgendjemand versuchen sollte herauszufinden, was für eine Macht das ist. Ich bin nicht sicher, ob diese Tanzenden gestern Nacht nicht genau das getan haben. Ich habe so ein komisches Gefühl, als würde da etwas angerührt und aufgeweckt, das man besser schlafen lassen sollte.«
»Absolut, ja. Es ist nur …« Wynne fummelte an ihrem Knoten, und eine Nadel fiel heraus. Sie bückte sich, um sie aus dem Gras aufzuheben.
»Ihnen kann ich es sagen, Meredith, weil Sie es verstehen. Ich habe das Gefühl, als wäre es bereits aufgeweckt, als wäre der Geist in Parsloe St. John bereits aus der Flasche. Zuerst Olivias Pony, dann mein Blumenbeet, der Wagen vom armen Rory …« Sie seufzte.
»Es war immer so friedlich hier. Nie ist irgendetwas passiert. Und jetzt sieht es so aus, als wäre irgendjemand mit Vehemenz auf Unfug aus.«
»Es ist jedenfalls eine höchst moderne Hexe, die Abbeizer benutzt.«
»Oh, das habe ich nicht gemeint. Ich glaube nicht, dass der Vandalismus etwas mit Hexerei zu tun hat. Ich meine … und ich bin mir durchaus nicht sicher! Ich meine, im Dorf ist eine Bosheit, die ich vorher nie gespürt habe. Es gefällt mir nicht.« Wynne stockte, um schließlich mit umso mehr Schwung fortzufahren:
»Es gefällt mir überhaupt nicht! Es macht mir Angst! Irgendetwas wird geschehen, irgendetwas Schreckliches! Ich habe es nicht in einer Kristallkugel gesehen oder so, im Gegenteil – ich spüre es in meinen Journalistenknochen! Ich hatte schon immer eine Nase für eine Story, ob es nun um etwas ging, das bereits passiert ist, oder etwas, das jeden Augenblick geschehen wird. Wie man spürt, dass ein Gewitter
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