Ihr Wille Geschehe: Mitchell& Markbys Zehnter Fall
saß, blickte sie sich im Lokal um. Sie suchte nach Mervyn Pollard, doch er war nirgends zu sehen. Hinter der Theke stand eine lebhafte junge Frau in einem Baumwollhemd und jeder Menge glitzerndem Schmuck. Alan sprach kurz mit ihr, und Meredith sah, wie die Frau zögerte und die Stirn runzelte, als müsse sie nachdenken, bevor sie sich zur Küchentür umwandte und den Kopf hindurchstreckte, als würde sie Markbys Frage an jemand anderen weitergeben. Eine Sekunde später tauchte ihr Kopf wieder auf. Sie sah Markby an und schüttelte den Kopf. Alan bedankte sich bei ihr und kehrte mit dem Sherry an den Tisch zurück.
»Danke sehr«, sagte Meredith, als er ihr das Glas hingestellt hatte.
»Was war das gerade? Hast du nach Mervyn gefragt?«
»Das habe ich bereits vorhin getan und zur Antwort erhalten, dass er zur Brauerei gefahren wäre. Nein, ich wollte wissen, wo dieser Gelegenheitsarbeiter, dieser Ernie Berry, heute Morgen gesteckt hat. Crombie hat mit ihm gerechnet. Er sollte zu ihm auf den Bauhof kommen, aber er ist offensichtlich unentschuldigt ferngeblieben.« Meredith spürte, wie sich Beunruhigung in ihr regte.
»Kevin hat schon gestern nach Ernie gesucht.«
»Kevin weiß nicht, wo sich Ernie rumtreibt, sagt jedenfalls Crombie. Max Crombie glaubt, dass Ernie wieder eine Freundin gefunden hat. Nein, sag nichts.« Meredith grinste.
»Ich vermute, er hat eine rustikale Art von Charme. Nein, wenn ich’s mir genau überlege, eher doch nicht. Nicht mehr als eine alte Öldose in einem Straßengraben.«
»Aua!« Markby grinste ebenfalls.
»Nicht jeder ist deiner Meinung. Nach Crombies Worten hat Ernie Berry bei den Damen einen sagenhaften Schlag.« Er blickte sie neugierig an.
»Was denkst du jetzt? Du hast so einen merkwürdigen Ausdruck im Gesicht.«
»Vielen Dank! Ich habe gerade überlegt, dass Faune und Satyrn und ähnliche Wesen, die in den vergangenen Jahrhunderten mit Fruchtbarkeit und Lüsternheit in Verbindung gebracht wurden, ausnahmslos ziemlich hässlich dargestellt werden.« Sie nahm einen Schluck von ihrem Sherry.
»Cheers. Was hat Crombie sonst noch alles zu erzählen gehabt?«
»Nicht viel, was diese Angelegenheit betrifft. Er hat jede Menge geredet, aber nichts verraten. Zwei Dinge könnten interessant sein, und nebenbei bemerkt, die hat er nicht von sich aus herausgerückt. Erstens hat es bei ihm auf dem Bauhof ebenfalls einen Zwischenfall mit Vandalismus gegeben – meine diesbezügliche Frage war ein Schuss ins Blaue hinein. Es war ihm unangenehm, darüber zu reden, das habe ich ihm angesehen. Die andere Sache ist, dass er oben im Haus an einer nicht so leicht einsehbaren Stelle ein Gemälde hängen hat, das von unserem Gastwirt hier angefertigt wurde. Es zeigt die beiden Steine.«
»Was?« Meredith verschluckte sich fast und stellte hastig ihren Sherry ab, um nichts zu verschütten. Ein oder zwei Köpfe drehten sich neugierig in ihre Richtung.
»Er schien nicht besonders begierig, mir dieses Bild zu zeigen. Er hat sich fast gesträubt. Vielleicht dachte er aber auch nur, dass ich ihn mit meinem Besuch schon lange genug aufgehalten hätte. Er hat erzählt, er wäre mit Mervyn Pollard zusammen zur Schule gegangen und Pollard wäre schon als Kind künstlerisch sehr begabt gewesen. Ich glaube nicht, dass dies unbedingt deine Theorie bestätigt.« Markby nahm die Speisekarte in die Hand, die eingeklemmt in einen Plastikhalter auf dem Tisch stand.
»Die Spezialität des Tages ist diesmal Hühnerpastete mit Pilzen und Pommes frites oder Salat. Was ist denn aus Mervyns exotischer Küche geworden?«
»Mervyn hat einen Tag mit normalem Essen, Gott sei Dank! Ich nehme Salat, bitte. Glaubst du die Geschichte? Dass Pollard zur Brauerei gefahren ist, meine ich?«
»Woher soll ich das wissen? Das Mädchen hinter der Bar hat es gesagt. Vielleicht schläft er sich die durchfeierte Nacht im Mondlicht aus den Knochen. Aber warum soll er nicht geschäftlich unterwegs sein? Wir wissen schließlich nicht mit Bestimmtheit, dass der Mann gestern Nacht Pollard gewesen ist.«
»Doch, ich weiß es«, widersprach Meredith.
»Wynne und ich waren heute Morgen noch einmal dort.« Markby legte die Speisekarte nieder und gab ein ärgerliches Schnauben von sich.
»Ich wünschte, du hättest mir vorher gesagt, was du vorhast. Ich hätte dich gebeten, es nicht zu tun!«
»Was kann es denn schaden? Die Polizei war übrigens auch dort und hat nachgesehen, aber ich glaube nicht, dass sie etwas herausgefunden hat.
Weitere Kostenlose Bücher