Ihr wisst genau, dass ihr mich liebt
Constance-Billard-Schule und wählte Vanessas Nummer.
»Hallo, ich bin's, Serena«, sagte sie auf den AB. »Ich hab total vergessen,
dass wir heute verabredet waren. Tut mir echt Leid, ich bin eine Idiotin. Tja,
also dann bis morgen in der Schule, ja? Tschüss!«
Als Nächstes rief sie bei Dan zu Hause an.
»Hallo?«, meldete sich eine mürrische Stimme.
»Hallo. Spreche ich mit Mr Humphrey?«, fragte Serena.
Im Gegensatz zu Serena und den meisten anderen Leuten, die Serena kannte, hatte
Dan keinen eigenen Telefonanschluss.
»Ja, was gibt's?«
»Ich wollte fragen, ob Dan zu Hause ist«, sagte sie.
»Ich bin eine Freundin von ihm. Serena.«
»Die mit den goldenen Armen und dem Himbeermund? Die
Serena, die Flügel anstelle von Händen hat?«
»Äh, wie bitte?«, fragte Serena irritiert. Dan hatte
nicht erwähnt, dass sein Vater geistesgestört war.
»Er hat dich in einem Gedicht beschrieben«, sagte Mr
Humphrey. »Es lag auf seinem Schreibtisch.«
»Oh«, sagte Serena. »Äh... können Sie ihm bitte
ausrichten, dass ich angerufen habe?«
»Na, aber sicher«, sagte Mr Humphrey. »Er wird
entzückt sein.«
»Danke«, sagte Serena. »Auf Wiederhören.« Sie legte
auf und begann, an ihrem Daumennagel zu knabbern. Eine sehr unschöne
Angewohnheit, die sie sich letztes Jahr im Internat zugelegt hatte. Die
Vorstellung, dass Dan Gedichte über sie schrieb, machte sie noch nervöser als
die Vorstellung, dass er ihren Film sah. War Dan womöglich viel, viel, viel
mehr an ihr interessiert, als sie gedacht hatte?
Öh, ja. Könnte man so sagen.
»Ich glaub nicht, dass sie noch kommt.« Jenny gähnte.
»Wahrscheinlich hat sie gestern Abend lang gefeiert oder so.« Jenny stellte
sich Serena gern als Göttin der Nacht vor, die bis zum Morgengrauen
Schampusflaschen köpft und auf Tischen tanzt.
Bis vor kurzem hätte sie damit noch Recht gehabt.
»Ich würde mir ihren Film schon gern anschauen.« Dan
strich sich eine Haarsträhne aus den Augen und grinste listig: »Sag mal,
Vanessa, können wir nicht einfach zu dir gehen und ihn uns angucken?«
Vanessa zuckte mit den Schultern. »Also, von mir aus
muss das nicht sein. Ich hab ihn schon an die vierhundertmal gesehen.« In
Wirklichkeit hatte sie bloß keine Lust mitanzusehen, wie Dan sabbernd vor dem
Fernseher saß und Serena anschwärmte. Unerträglich.
»Du solltest Serena vorher aber fragen, ob sie nichts
dagegen hat«, sagte Jenny. »Du weißt doch gar nicht, ob sie will, dass du ihn
siehst.«
»Das ist schon okay«, behauptete Dan.
Vanessa bemerkte mit Abscheu das fiebrig-verliebte
Glitzern in Dans Augen. Er konnte es kaum erwarten, Serenas Video zu sehen.
Sie schob ihm ihren Schlüsselbund hin. »Ich bleib hier bei Clark. Ihr könnt ihn
euch ja anschauen, wenn ihr wollt. Er steckt noch bei Ruby im Videorekorder.
Guckt ihn euch ruhig bei ihr an, sie ist übers Wochenende weg.«
Jenny schüttelte den Kopf. »Ohne Serena will ich
nicht.«
Dan schnappte sich den Schlüssel und rutschte vom Hocker.
Schade, dass Serena nicht aufgetaucht war, aber ihren Film würde er sich auf
keinen Fall entgehen lassen. »Wie ihr wollt«, sagte er. »Dann schau ich ihn mir
eben allein an.«
Jenny drehte sich auf ihrem Barhocker herum, nuckelte
an ihrer Cola und sah ihrem Bruder hinterher.
»Du, sag mal, hast du dieses Jahr vielleicht bei der
Peter- son amerikanische Geschichte?«, fragte Vanessa, um ein bisschen
Konversation zu machen. »Es gibt ja total viele Leute an der Schule, die
rumerzählen, sie hätte ein Drogenproblem, aber ich saß mal auf einer
Klassenkonferenz neben ihr. Da hat sie mir erzählt, dass ihre Hände so zittern,
weil sie irgendeine Krankheit hat. Super, dass sie so offen darüber redet, was?
Ich find sie richtig cool.«
Jenny wirbelte auf ihrem Hocker im Kreis herum. »Amerikanische
Geschichte kriegen wir erst nächstes Jahr«, sagte sie desinteressiert. Wieso
war Vanessa auf einmal so nett zu ihr?
Vanessa hatte etwas mehr Entgegenkommen erwartet.
»Sony, aber ich kann mich gar nicht mehr erinnern, was man in der Neunten so
macht. Dann habt ihr dieses Jahr wahrscheinlich europäische Geschichte, oder?«
»Genau«, bestätigte Jenny. »Stinklangweilig.« Sie ließ
sich vom Hocker gleiten und spielte verlegen an den Knöpfen ihrer
Diesel-Jeansjacke. »Tja...? Ich glaub, ich nehm mir jetzt ein Taxi und fahr
nach Hause. Wir sehen uns dann morgen.«
»Ja, tschüss«, sagte Vanessa. Das hatte man davon,
wenn man mal nett sein wollte. Am liebsten hätte sie Dan
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