Ihr wisst genau, dass ihr mich liebt
Quittung in die Hand, griff nach ihrer Tüte und
stürzte zum Ausgang. Blair beim Stehlen beobachtet zu haben, war fast so
schlimm, als hätte sie selbst gestohlen. Sie hatte nur einen Gedanken: Raus
hier. Als sie sich durchs Gewühl auf die Straße hinausgedrängt hatte, ging sie
schnell die Madison Avenue hinauf. Die schwere Tüte schlug ihr beim Gehen gegen
die Wade, während sie in tiefen Zügen die kühle Herbstluft in die Lunge sog.
Sie war zu Barneys gegangen, um sich selbst mit irgendetwas Nettem zu
belohnen, und war mit einem Männerbademantel in Übergröße herausgekommen.
Wieso hatte sie Blair überhaupt nachspioniert? Und wieso zum Teufel klaute
Blair? Doch sicher nicht, weil sie Geldprobleme hatte.
Aber bei Serena war Blairs Geheimnis gut aufgehoben.
Wem hätte sie es auch erzählen sollen?
Blair trat auf die Madison Avenue hinaus. Ihr Puls
raste. Die Alarmanlage reagierte nicht und ihr schien auch niemand gefolgt zu
sein. Sie war nicht erwischt worden! Dass Stehlen falsch war, wusste sie
natürlich, erst recht, wenn man genug Geld hatte, sich alles zu kaufen. Aber
irgendwie verschaffte es ihr auch einen erregenden Kitzel, etwas so dermaßen
Verbotenes zu tun. Es war, als spiele sie in dem Film, der ihr Leben war, zur
Abwechslung auch mal die ruchlose/emme/ß- tale statt immer nur das brave, verständige Mädchen von nebenan. Außerdem würde sie
es nicht wieder tun. Dass sie einmal schwach geworden war, machte sie ja nicht
gleich zur Profi-Ladendiebin.
Dann sah sie etwas, das sie wie angewurzelt stehen bleiben
ließ. An der nächsten Kreuzung wartete Serena van der Woodsen vor der Ampel auf
grünes Licht, das lange blonde Haar in der Sonne leuchtend. Über ihrem Arm hing
eine große schwarze Barneys-Tüte, und kurz bevor sie über die Straße ging,
drehte sie sich um und schaute direkt in Blairs Richtung.
Blair senkte wie ertappt den Kopf und tat so, als
würde sie auf ihre Rolex schauen. Scheiße, dachte sie. Hat sie mich gesehen?
Hat sie etwa beobachtet, wie ich die Hose geklaut hab?
Ohne noch einmal aufzublicken, öffnete sie ihre Handtasche
und suchte nach ihren Zigaretten. Als sie den Blick wieder hob, hatte Serena
die Straße überquert und war in der Menge verschwunden.
Und wenn schon, dachte Blair. Sie zündete sich mit zitternden
Händen eine Zigarette an. Sollte Serena doch ruhig überall herumposaunen, dass
sie Blair Waldorf bei Barneys beim Stehlen beobachtet hatte. Niemand würde ihr
glauben.
Oder?
Im Weitergehen steckte Blair eine Hand in die Tasche
und befühlte das feine Kaschmirgewebe. Sie konnte es kaum erwarten, dass Nate
die Hose anzog. Wenn er das weiche, zarte Kaschmir auf der Haut spürte, würde
er wissen, wie viel sie für ihn empfand, und vor Liebe zu ihr dahinschmelzen.
Serena konnte herumtratschen, was sie wollte, das konnte ihr nichts anhaben.
Hey, hey. Moment mal. Wer gestohlene Sachen
verschenkt, verschlechtert sein Karma dadurch ganz enorm. Und das kann wiederum
höchst unerwartete Wendungen des Schicksals nach sich ziehen - und zwar sehr
unangenehme.
in brookiyn wird vergeblich
gewartet
»Was machst du denn hier?«, fragte Vanessa Abrams, als
Dan mit Jenny im »The Five and Dime« auftauchte.
»Ich wollte mir Serenas Film anschauen«, sagte Dan achselzuckend.
Ja klar, dachte Vanessa. Ihren knochigen Arsch
wolltest du dir anschauen.
»Serena ist noch nicht da«, sagte sie, als sich Jenny
und Dan fragend umsahen. Bis auf die beiden Mittzwanziger, die an einem Tisch
in der Ecke hockten, qualmten und in der Sun-
daij Times blätterten, war der dämmerige Kneipenraum leer.
»Aber es ist doch schon halb zwei.« Jenny warf einen
Blick auf ihre Armbanduhr. »Wollten wir uns nicht um eins treffen?«
Vanessa zog eine Augenbraue hoch. »Ihr kennt sie
doch.«
Ja, sie kannten sie. Serena kam immer zu spät. Doch
das störte weder Jenny noch Dan. Es war ein Geschenk, mit ihrer Anwesenheit
beehrt zu werden. Vanessa brachte sie damit allerdings zur Weißglut.
Clark kam angeschlendert und fuhr mit den Fingern
durch Vanessas raspelkurzes schwarzes Haar. »Möchtet ihr was trinken?«, fragte
er.
Vanessa grinste triumphierend. Sie genoss es, wenn
Clark sie in Dans Gegenwart berührte. Das geschah ihm ganz recht. Clark
arbeitete als Barmann im »Five and Dime«. Die Kneipe lag nur ein paar
Straßenblöcke von dem Apartment entfernt, in dem Vanessa mit ihrer älteren
Schwester Ruby wohnte. Clark war zweiundzwanzig. Er hatte rote Haare,
Koteletten und sanfte
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