Ihr wisst genau, dass ihr mich liebt
Anthony, darum bemüht, den
Rauch in der Lunge zu behalten, und drückte ihm die Pfeife in die Hand.
»Fetten Zug hast du drauf.« Charlie nickte ihr anerkennend
zu.
Jennys Augen tränten, »'anke«, sagte sie. Aus ihren
Mundwinkeln quollen kleine Rauchwölkchen.
»Boah, das Zeug ist der Killer«, sagte Nate und
schüttelte seinen honigbraunen Kopf.
»Puhl« Jenny nickte bestätigend und blies den letzten
Rest Rauch in die Luft. Sie kam sich extrem erwachsen vor.
Die Bowl war inzwischen wieder bei ihr angekommen.
Diesmal hielt sie das Feuerzeug selbst darüber, wie sie es bei den Jungs
beobachtet hatte, und versuchte, routiniert rüber- zukommen. Wieder behielt sie
den Rauch so lange in der Lunge, wie sie es schaffte, ohne zu husten. Sie hatte
das Gefühl, ihre Augen würden gleich zerplatzen.
»Das erinnert mich irgendwie an was«, sagte sie, als
sie die Pfeife an Anthony weitergab. »Ich weiß nur nicht, an was.«
Jeremy nickte. »Mhm.«
»Mich erinnert es an den Sommer«, sagte Anthony träge.
»Nein, was anderes.« Jenny schloss die Augen. Die Sommerferien
hatte sie in einem Hippie-Ferienlager in den Adi- rondacks verbracht, das ihr
Vater für sie ausgesucht hatte. Dort hatte sie umweltpolitische Haikus
geschrieben, chinesische und spanische Friedenslieder gesungen und Decken für
Obdachlose gewebt. Im Lager hatte es nach Pisse und Erd- nussbutter gestunken.
»Mein letzter Sommer war nur ätzend. Ich meinte irgendwas Schönes, wisst ihr.
Wie Halloween früher, als wir klein waren.«
»Das ist es. Genau«, sagte Nate. Er ließ sich ins Gras
zurückfallen und blickte in die Baumwipfel hinauf, in denen orange leuchtende
Herbstblätter zitterten. »Ein Gefühl wie Halloween.«
Jenny legte sich neben ihn, was sie normalerweise nie
gemacht hätte. Wenn sie flach auf dem Rücken lag, sackten ihre Brüste nämlich
immer seitlich weg, und sie hatte das Gefühl, total unförmig auszusehen. Aber
jetzt machte sie sich ausnahmsweise mal keine Gedanken über ihren Busen. Es
war einfach schön, neben Nate zu liegen und dieselbe Luft zu atmen wie er.
»Als Kind hab ich immer gedacht, wenn ich mir die
Augen zuhalte und nichts sehe, können mich die anderen auch nicht sehen«,
murmelte sie und legte sich die Hand über die Au- gen.
»Ging mir genauso.« Nate schloss die Lider. Er fühlte
sich total gelöst, wie ein Hund, der nach einem langen Spaziergang vor dem
Kamin döst. Diese Jennifer war echt nett und stellte so überhaupt keine
Erwartungen an ihn. Er fühlte sich tierisch wohl mit ihr.
Hm, wenn Blair wüsste, wie einfach Nate glücklich zu
machen war.
»Solange man klein ist, ist das Leben irgendwie
ziemlich locker, findest du nicht?«, sagte Jenny. Die Worte strömten nur so
aus ihr heraus, sie hätte stundenlang einfach nur reden können. »Und dann wird
alles immer komplizierter, je älter man wird.«
»Ganz genau«, sagte Nate. »Der ganze Unistress zum Beispiel.
Dass wir jetzt schon entscheiden sollen, was wir für den Rest unseres Lebens
machen wollen, und irgendwelche Uni- Idioten beim Auswahlgespräch davon
überzeugen müssen, wie intelligent wir sind und wie toll wir uns für alles
Mögliche engagieren. Überleg mal: Wir sollen acht Stunden täglich in die Schule
gehen, dazu supersportlich sein, die Schülerzeitung rausgeben und abends
Kindern aus sozial benachteiligten Familien bei den Hausaufgaben helfen. Ich
möchte mal unsere Eltern sehen, wenn wir denen so ein Programm aufdrücken
würden - die würden sofort streiken. Stimmt doch, oder?«
»Hmm. Ja, das ist echt Wahnsinn«, sagte Jenny. Die Uni
war zwar noch kein Thema für sie, aber sie konnte sich den Druck vorstellen,
unter dem Nate stand. »Mein Dad macht den ganzen Tag nichts anderes als lesen
und Radio hören. Wieso müssen wir uns dann so reinstressen?«
»Tja, sag du s mir.« Nate seufzte erschöpft. Er tastete
nach ihrer Hand und verschränkte seine Finger mit ihren.
Jenny hatte das Gefühl, im Gras zu zerfließen. Die Körperhälfte,
die Nate zugewandt lag, wurde ganz warm und kribbelig, und ihre Hand schien mit
seiner zu verschmelzen. Sie hatte sich in ihrem ganzen Leben noch nie so wohl
mit jemandem gefühlt.
»Sag mal, wie wär's, wenn wir zu mir nach Hause gehen?
Wir könnten was zusammen essen.« Nate rieb mit dem Daumen über ihre
Fingerknöchel.
Jenny nickte. Sie wusste, dass sie nichts sagen
musste. Nate verstand sie auch ohne Worte.
Unglaublich, wie sich das Leben von einer Minute auf
die nächste verändern kann. Wie
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